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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Guerillatruppen diene. Beim Handel mit afrikanischen Rohdiamanten hätten die Bemühungen der ewigen Sozialromantiker bereits zu einer Einschränkung des freien Markts geführt: Der sogenannte Kimberley-Prozess, ein internationales Abkommen, unterbinde den Import von Edelsteinen ohne offizielle Unbedenklichkeitsbescheinigung.
    Polivka legt die Zeitung weg. Er hat eine Idee. Wie nebenher greift er zu seinem Portemonnaie und zieht die beiden Diamanten hinter seiner Dienstmarke hervor. Er wiegt sie in der Hand, examiniert sie, nimmt den größeren zwischen Daumen und Zeigefinger, hält ihn gegen das Licht, dreht ihn behutsam hin und her. Aus den Augenwinkeln kann er nun sehen, wie Tilman Stranzer aufblickt, wie sich seine Augen förmlich festsaugen an diesem kleinen Glitzersteinchen.
    «Lovely», sagt Polivka. «Isn’t it?»
    Stranzer nickt und räuspert sich. In einem Englisch, das nicht einmal für den Bürgermeister von Gualala reichen würde, meint er: «Yes, very. Is it true? I mean, a really diamond?»
    «Ach so, Sie sind ein Landsmann», sagt Polivka freudig. «Bitte wundern Sie sich nicht, ich höre so etwas sofort, wahrscheinlich, weil ich selbst mit meinem österreichischen Akzent zu kämpfen habe. Und Ihr Englisch ist, wenn Sie mir diese Anmerkung gestatten, brillant.»
    «Das muss es ja wohl auch, in meiner Position», meint Stranzer und legt vor der Brust die Fingerspitzen aneinander – eine Pose aus dem staatsmännischen Körpersprachenlexikon: gewichtig, ernst, beherrscht.
    «Und darf man fragen, welche Position das ist?»
    Ein irritierter, gekränkter, beinahe schon waidwunder Blick. «Ja, kennen Sie mich nicht, als Österreicher und als Europäer? Fernsehen? Zeitungen? Man ist doch immer wieder in den Medien.»
    Entschuldigend zuckt Polivka die Achseln. «Leider bin ich schon seit über zwanzig Jahren kein Europäer mehr. Ich habe mich seinerzeit in Pretoria angesiedelt, und da ist», er deutet auf die Zeitungen, «die Reine Wahrheit nur schwer aufzutreiben.»
    «In Pretoria, Südafrika? Und darf man fragen, was Sie dort so machen?»
    «Nun, ich habe eine kleine Bergbaufirma: Trappenberg Incorporated . Wir betreiben Minen in Südafrika, Namibia, Angola und – seit neuestem – im Kongo.» Polivka verstaut die Edelsteine in der Hosentasche und streckt Stranzer seine Hand entgegen. «Trappenberg, von Trappenberg. Bin sehr erfreut.»
    «Ja, also … Stranzer, Doktor Stranzer, Abgeordneter im Europäischen Parlament. Dann … sind die Diamanten quasi Eigenproduktion?»
    «Ja, aus dem Kongo. Eigentlich haben wir dort nach Coltan geschürft, Sie wissen schon …»
    «Coltan, natürlich …»
    «Aber dann sind wir auf ausgedehnte Diamantenvorkommen gestoßen. Auch kein Schaden», Polivka lacht auf, «man muss eben flexibel sein.»
    «Flexibel, das ist gut», stimmt Stranzer in Polivkas Lachen mit ein. «Und was treibt Sie in die alte Heimat? Verwandtenbesuche?»
    «Auch das, Herr Doktor. Aber nicht in erster Linie. Ich habe versucht, in Brüssel gewisse – rein berufliche – Probleme zu lösen. Leider dürfte es mir nicht gelungen sein.»
    «Berufliche Probleme? Worum ist es denn gegangen, wenn ich fragen darf?»
    Zwei kleine Brillanten, deren Echtheit mehr als fraglich ist, haben Stranzer, den mürrischen Pfau, in eine zahme, ja geradezu servile Elster verwandelt. Es ist ein Mirakel, Katharsis auf höchstem Niveau.
    Um den so frisch dressierten Vogel nicht gleich wieder zu verschrecken, heuchelt Polivka ein kurzes Zögern vor. «Ja, also», sagt er, und: «Es ist vielleicht ein bisschen heikel.»
    «Keine Sorge, Herr von Trappenberg, Sie können offen zu mir sein. Was immer Sie mir auch erzählen, bleibt unter uns. Das ist ja», Stranzer grinst, «die Grundlage meines Berufsbilds.»
    «Danke, Doktor Stranzer. Es tut gut, sein Leid zu klagen, gerade jemandem, der sozusagen – Sie verzeihen den Ausdruck – in der Höhle des Löwen sitzt.» Polivka seufzt. «Wir haben es nicht leicht in Afrika, müssen Sie wissen. Schlechte Energieversorgung, mangelnde Sicherheitslage, ganz zu schweigen von der inferioren Arbeitsmoral der Dings, der Schwarzen, also … unserer Mitarbeiter.»
    « Dings ist gut.» Stranzers Grinsen wird breiter. « Mitarbeiter überhaupt.»
    «Ich sehe, Sie verstehen mich. Ohne uns, und das ist nicht einmal rassistisch, sondern vielmehr kulturell gemeint, wären doch die Leute dort noch immer in der Steinzeit: keinen Anteil am globalen Fortschritt, keine Chance auf eine bessere Zukunft.

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