Polivka hat einen Traum (German Edition)
Dabei sitzen sie auf einem ungeheuren Schatz an Rohstoffen, nach dem sich die gesamte zivilisierte Welt die Finger leckt. Wer hebt ihn, diesen Schatz? Doch niemand anderer als eine Handvoll Pioniere aus dem Westen …»
«Wackere Leute wie Sie», wirft Stranzer ein und nickt.
«Genau. Und was passiert, wenn wir ihn erst gehoben haben und ihn in die Heimat bringen wollen, nicht zuletzt, um dort die Wirtschaft anzukurbeln?»
«Ich verstehe nicht …»
«Ganz einfach: Die EU hat meine Steine mit einem Importverbot belegt.»
«Sie meinen … Sie haben kein Zertifikat der kongolesischen Regierung?»
«Leider nein. Wir operieren in einer, sagen wir, politisch heiklen Gegend, da bezeichnen die Behörden jedes unschuldige Steinchen gleich als Blutdiamant .»
«Haben Sie es so probiert?» Stranzer reibt die Finger seiner Rechten aneinander: internationale Geste für – meist nicht ganz saubere – Geldtransfers.
«Bestechung? Damit brauchen Sie in Afrika erst gar nicht zu beginnen. Hinter jedem, der die Hand aufhält, stehen schon zehn andere, die das Doppelte verlangen. Diese … Dings sind unersättlich.»
«Ich verstehe.» Stranzer schürzt die Lippen und legt seine Stirn in Falten, er markiert den Denkenden. «Vielleicht», sagt er nach einer Weile, «kann ich etwas für Sie tun. Gesetze lassen sich ja ändern, man muss nur an ein paar Rädchen drehen, ein wenig Überzeugungsarbeit leisten. Nächsten Montag bin ich wieder in Straßburg, da werde ich sehr maßgebliche Leute treffen, die mir – nebenbei – auch freundschaftlich verbunden sind. Verstehen Sie, Herr von Trappenberg? Wir müssten uns nur hinsichtlich der Konditionen einigen.»
«Sie meinen», flüstert Polivka und reibt nun seinerseits die Finger aneinander, «eine Art … Bestechung?»
«Gott behüte, nein!», ruft Stranzer. «Wir sind doch hier nicht bei den Wilden! Nennen Sie es meinetwegen Politikberatung , schließlich geht es ja um die Beratung meiner Amtskollegen im Europaparlament. Das ist ein ganz normales demokratisches Procedere, das täglich Brot des Volksvertreters: Ich vertrete Ihre Interessen, Sie entlohnen mich dafür.»
«So einfach?»
«Ja, so einfach.» Stranzers Augen glitzern jetzt, als wären es die Diamanten in Polivkas Hosentasche.
«Gut … Und Ihr Beraterhonorar? Mit welcher Summe muss ich …»
«Hunderttausend», sagt Stranzer wie aus der Pistole geschossen. «Hunderttausend jährlich.»
«Ist das nicht … ein bisschen viel?»
«Das kostet’s halt bei mir. Sie müssen die Verantwortung bedenken, die ich auf mich nehme. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit einer Lockerung der Importverordnung finanziell performen könnten.»
Polivka wiegt nachdenklich den Kopf. «In Ordnung», meint er dann. «Was mich betrifft, Herr Doktor, sind wir im Geschäft. Wie wollen wir es vertraglich halten? Falls es Ihnen recht ist, können wir …»
«Vertraglich sollte uns ein Handschlag reichen, Herr von Trappenberg. Wenn man in unseren Kreisen kein Vertrauen mehr zueinander haben kann, ist diese Zivilisation am Ende.»
«Besser kann man es nicht ausdrücken», nickt Polivka.
«Es gibt natürlich trotzdem manches zu besprechen: eine Branchenanalyse und ein kleines Briefing Ihrerseits, um die strategischen Optionen zu sondieren. Hier vorab meine Visitenkarte.» Wie ein Taschenspieler – sozusagen aus dem Nichts – hat Stranzer jetzt ein weißes Kärtchen hergezaubert; er drückt es Polivka in die Hand. «Die Kontodaten werde ich Ihnen lieber mündlich übermitteln.» Ein verschmitztes Zwinkern.
«Ich verstehe», zwinkert Polivka zurück. Er tastet seine Jackentaschen ab und meint dann mit dem Ausdruck des Bedauerns: «Meine Karte kann ich Ihnen leider erst nach unserer Ankunft geben, die hat nämlich meine Sekretärin. Sie sitzt irgendwo dahinten.» Mit einer abfälligen Handbewegung deutet Polivka Richtung Economy-Klasse.
Beifälliges Nicken Stranzers. «Man darf seine Mitarbeiter nie vergessen lassen, wo ihr Platz ist», sagt er. «Aber jetzt, mein lieber Herr von Trappenberg, wollen wir ein Glaserl auf die afrikanisch-europäische Freundschaft trinken. Champagner?»
«Gern», gibt Polivka zurück. «Wenn Sie mich kurz entschuldigen …»
Während Stranzer eine Flugbegleiterin herbeiwinkt, hastet Polivka auf die Toilette. Diesmal treibt ihn etwas anderes als das Verdauungsfeuer. Die schweißnasse Stirn auf die Hände gestützt, so kniet er wenig später vor der Kloschüssel, um sich zu übergeben.
Stranzer, denkt er auf
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