Polivka hat einen Traum (German Edition)
in Nikosia. Warum haben die in Österreich ein Handy angemeldet?»
«Weil ich meinen Arsch darauf verwette, dass es trotzdem eine österreichische Firma ist», knurrt Polivka. «Zypern ist zwar Mitglied der EU, aber zugleich ein Hort der Seligkeit für Steuerflüchtlinge. Meine Kollegen von der Wirtschaftskriminalität haben selbst schon überlegt, sich ein Büro dort einzurichten.»
Zehn Sekunden.
«Schau, da steht der Name des Geschäftsführers … Nein, weiter rechts!» Sophie deutet aufgeregt auf den unteren Rand des Bildschirms.
Eine Sekunde.
Dann liest Polivka den Namen.
«Scheiße», sagt er mit belegter Stimme. «Scheiße …»
20
Könnt ihr wirklich nicht die großen Gauner sehen,
die statt ins Gefängnis in die Sauna gehen?
Habt ihr nicht genug von diesen satten Räubern?
Wann wollt ihr die Welt von diesen Ratten säubern?
Diese Zeilen aus einer Moritat des Wienerlied-Ensembles Trio Lepschi kommen Polivka in den Sinn, während er mit Sophie auf schnellstem Weg das Polizeipräsidium verlässt. Sie fallen ihm jedes Mal ein, wenn er an diverse Leistungs- und Entscheidungsträger denkt, die sich bedenkenlos und ungehindert an der Staatskasse bereichern. Und so spuken ihm die Reime regelmäßig, ja beinahe täglich durch den Kopf – man liest ja Zeitung.
«Also sag schon, wieso Scheiße ?», fragt Sophie, sobald sie auf die Straße treten. Sie hält Polivka am Arm zurück und streicht ihm sanft über die Wange. «Du schaust aus, als hättest du so eine Art Gespenst gesehen. Wer ist denn dieser OMA-Typ, dieser Geschäftsführer – wie war jetzt gleich sein Name?»
«Oppitz-Marigny», sagt Polivka, immer noch heiser. «Olaf Markus Oppitz-Marigny.»
«O-Mar O-Mar», murmelt Sophie.
«Genau. Ein Omar zum Quadrat … Komm, lass uns etwas trinken gehen.»
«Und womit sollen wir bezahlen?»
«Im Umkreis von fünfhundert Metern rund ums Polizeipräsidium habe ich die Lizenz zum Anschreiben.»
Es gibt kaum einen Österreicher, der Fürst Olaf Markus Oppitz-Marigny nicht aus den Medien kennt. Obwohl von seinem Aussehen und Gebaren her alles andere als eine schillernde Figur, steht Oppitz schon seit längerem im Rampenlicht des alpenländischen Provinztheaters: Fernsehanstalten und Zeitungsredaktionen interessieren sich ebenso für ihn wie Staatsanwälte, Richter, Nationalratsabgeordnete und ganz normale Bürger. Letztere wahrscheinlich deshalb, weil der Fürst all das ist, was sie selber gerne wären: jovial, gemütlich, adelig und unermesslich reich.
Dass Oppitz ins Visier der österreichischen Justiz geraten ist, liegt freilich nur am Neid. An jenem Neid, den die – per se missgünstigen – Spießbürger und Proleten gegenüber jedem an den Tag legen, der so ist, wie sie selber gerne wären. Im Sinne des sozialen Friedens muss die Obrigkeit zuweilen auch auf die kleinen Leute hören, also lädt sie den Verdächtigen zur Einvernahme oder vor den einen oder anderen Untersuchungsausschuss, steckt ihn eventuell sogar ein bisserl in Untersuchungshaft – und lässt ihn wieder laufen, sobald genügend Wasser die Donau hinuntergeflossen ist.
«Die irische Justiz», sagt Polivka, «ist im Vergleich mit unserer geradezu pragmatisch. Dort hat unser Oppitz nämlich auch schon einmal sechs gezählte Tage lang auf Staatskosten logiert. Die irische Regierung hat sich dann aber dazu entschlossen, die Ermittlungen einzustellen – nicht aus Mangel an Beweisen, sondern weil ihr ein mit Oppitz eng verbundener Konzern – ganz offiziell – vierhundert Millionen Euro für die Niederschlagung des Verfahrens überwiesen hat. Der arme Fürst: Da sitzt er eine Woche hinter Gittern, stell dir vor, wie viel er in der Zeit verdienen hätte können. Aber Gott sei Dank hat die Gerechtigkeit gesiegt. Die Iren haben ihm, kaum dass er frei war, eine Haftentschädigung zuerkannt: fünfhunderttausend Euro, wegen des Verdienstausfalls. Verstehst du? Eine halbe Million für sechs verschissene Tage!» Polivka schnaubt auf; er greift zu seinem Krügel Bier und trinkt. Wenn er es könnte, würde er dabei vor lauter Zorn die Zähne fletschen.
«Worum ging es denn in dem Verfahren? Ich meine, was macht Oppitz überhaupt beruflich?», fragt Sophie.
«Er macht so gut wie alles, aber trotzdem immer nur das eine. Er ist Schieber, Lobbyist und Geldbote – ein zugegeben virtuoser Geldbote. Bei den Ermittlungen in Irland ging es um die Lieferung von Kampfflugzeugen, militärischen Radarsystemen und Raketen in den Nahen Osten und nach
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