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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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fristet. Hohepriester der gewissenlosen Raffgier, die exakt das sind, was sie den Gegnern ihrer Herrscherkaste vorzuwerfen pflegen: die Läuse im Pelz der Gesellschaft, die tatsächlichen Sozialschmarotzer .
    «Ganz genau», erwidert Oppitz jetzt. «Man schafft die Fakten selbst. Es ist so einfach und so logisch, dass ich mich schon fast dafür geniere, die Idee nicht schon vor Jahren gehabt zu haben. Anlassfälle , Herr Bezirksinspektor, wie gesagt. Und alles Eigenbau, von mir und meinen Leuten ausgetüftelt und realisiert. Ich nenne es Geheimprogramm : Fünf hochqualifizierte Männer beispielsweise, die mit brennbaren Substanzen umzugehen wissen, klappern in Europa ein paar Städte ab und zünden in den Villen- und Diplomatenvierteln Autos an. Das Resultat hab ich ja schon geschildert: ein Triumph, von dem am Ende alle etwas haben! Oder die zwei Mitarbeiter – wirklich gute Autofahrer nebenbei –, die sich der Sicherheit im Radverkehr gewidmet haben. Acht letale Fahrradunfälle in nur drei Tagen, so was rüttelt auf. Da fragt kein Redakteur mehr, ob die Autos als gestohlen gemeldet waren oder ob die Lenker Fahrerflucht begangen haben. Da steht nur noch eins im Vordergrund: dass keiner der acht Toten einen Fahrradhelm benutzt hat. Zugegeben traurig, aber leider notwendig: Der stete Kampf um Wirtschaftswachstum, Sicherheit und Volksgesundheit bringt halt auch Kollateralschäden mit sich. Ein gutes Beispiel ist auch unser Engagement in Sachen Brandschutz. Rauchmelder sind momentan der absolute Hit: Zwei Stück pro Haushalt kommen auf so etwa sechzig Euro; bei rund zweihundert Millionen Haushalten in der EU macht das nicht weniger als zwölf Milliarden! Dazu noch die Kosten für Installation und Wartung! Stellen Sie sich das einmal vor! Fast alle deutschen Bundesländer haben in den letzten Jahren eine Einbaupflicht beschlossen, Österreich zieht langsam nach, nur die EU-Regierung ziert sich noch. Wer wird sie überzeugen? Richtig: meine fünf bewährten Brandbeschleunigungsexperten.» Oppitz strahlt. Indem er Polivka davon erzählt, scheint ihm die Genialität seines Geschäftsmodells erst vollends klarzuwerden. «Meine Auftraggeber sind zwar nicht so namhaft wie die Herren vom ERT, aber in Summe hochpotent – da geht es ja um Wachstumsmärkte! Produktions- und Dienstleistungsbetriebe, die durch mich zu European Playern werden! Kein Wunder, dass mir ihre CEOs die Füße küssen. Und wenn’s ihnen gut geht, geht’s uns allen gut.»
    «Uns allen?» Polivka richtet sich auf und blickt dem Basilisken ins Gesicht. «Uns allen?», fragt er noch einmal.
    «Die Wirklichkeit des kleinen Mannes», lächelt Oppitz schalkhaft zurück.
    Nein, es ist nichts geschehen, Polivka ist nicht zur Salzsäule erstarrt. Vor allem sein Verdauungsfeuer brennt lebendiger denn je. «Das Ekelhafteste, Herr Oppitz, ist Ihr maßloser Zynismus. Wenn es in Europa wieder einmal ganz gewaltig kracht, dann tragen Sie und Ihresgleichen die Verantwortung dafür.»
    «Hallo?» Fürst Omar mustert Polivka wie einen Schlafenden, der nicht und nicht erwachen will. «Ja, glauben Sie, das weiß ich nicht? Natürlich wird es ganz gewaltig krachen, und wer seine Schäfchen dann noch nicht ins Trockene gebracht und seine Festung dann noch nicht gebaut hat, der ist selber schuld. Gerechtigkeit? Humanität? Ich bitt Sie, hören S’ mir auf mit diesem schwulen Scheiß! Das ist doch …», Oppitz ringt erstmals um Worte, «so was wie die Grundidee der freien Marktwirtschaft. Evolution auf höherem Niveau, wenn Sie es durchaus philosophisch haben wollen: Die Starken überleben, und der Rest ist eine Randnotiz im Buche Darwin!»
    Zwanzig, neunzehn, achtzehn …, zählt Polivka im Geiste. Kaum zu bändigen ist sein Verlangen, Oppitz ins Gesicht zu schlagen, ihn so lang zu prügeln, bis er nur noch eine Randnotiz im Buche Darwin ist. Dass es dann doch nicht dazu kommt, liegt einzig und allein an Polivkas professionellem Interesse, an der lange antrainierten Neugier des ermittelnden Beamten. Denn die Antwort auf die letzte Frage ist noch offen.
    Vierzehn, dreizehn, zwölf …
    «Was ist mit diesen Morden in der Bahn?», presst Polivka durch seine Zahnlücke hervor. «Paris, Toledo, Wien …»
    «Und Birmingham», ergänzt der Fürst. «Das war die erste diesbezügliche Aktion, schon im April. Die Sache ist ganz einfach, und das Schöne daran ist, dass wieder mehreren Parteien damit gedient ist. Was wir wollen, ist eine einheitliche Sicherheitsverordnung für das

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