Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
Vom Netzwerk:
Sie sind ein Gegner unserer hehren europäischen Idee. Integration, mein Freund! Zusammenhalt! Und nicht vergessen: beinah siebzig Jahre ohne Krieg!»
    Polivka seufzt. Das alte Argument, mit dem die Kritiker des Wirtschaftsmolochs als stupide, spießige Nationalisten abgestempelt werden, denen ihre angebräunten Hemden näher sind als der fidele Rock and Roll der kollektiven Absatzmärkte. «Wissen Sie, Herr Oppitz», sagt er ruhig, «ich bin ein Freund von Wohngemeinschaften – Kommunen hat man seinerzeit dazu gesagt. Man teilt sich eine Küche und ein Bad und möglichst auch einen Gemeinschaftsraum, stellt einen Zeitplan auf, nach dem von allen Mitbewohnern alternierend eingekauft, geputzt, gekocht und abgewaschen wird, man trifft sich, trinkt ein Flascherl, tauscht sich aus – und geht, wenn man allein sein will, ganz einfach in sein Zimmer. Wenn sich aber irgendwer dazu versteigt, mir vorschreiben zu wollen, wie ich mein eigenes Zimmer zu möblieren und was ich dort zu tun oder zu lassen habe, ob ich in der Nase bohren, Zigaretten rauchen oder wichsen darf, wie oft ich lüften muss und welche Farbe meine Bettwäsche gefälligst haben soll, dann ist der Spaß vorbei. Was glauben Sie, warum die meisten Morde im Familienkreis begangen werden?»
    «Sie werden es mir schon sagen, Herr Bezirksinspektor, Sie sind schließlich der Experte», schmunzelt Oppitz.
    «Wegen eines Mangels an Respekt. Integration ohne Integrität: Das ist entwürdigend, das muss auf Dauer eskalieren.»
    Der Fürst lehnt sich zurück, ein breites Lächeln auf den Hamsterlippen. «Meiner Seel, sind Sie … entzückend. Und das meine ich gar nicht bös, ich war ja auch einmal ein bissel so ein Achtundsechziger, in meinen jungen Jahren, da sind wir gar nicht so verschieden. Und in meinem heutigen Metier sind unsere damaligen Träume ja auch Wirklichkeit geworden: Friede, Freiheit, Gleichheit und so weiter. Wer ein Global Player ist, der darf nicht kleinlich sein, solang sein Gegenüber finanziell oder politisch etwas zählt. Der muss seine Geschäfte beispielsweise auch mit Negern machen …»
    «Wie bitte?»
    «Verzeihung, das war unkorrekt; ein Glück, dass meine Gattin das nicht mitbekommen hat. Natürlich muss es Negerinnen und Neger heißen.» Ein Moment der Stille, dann bricht Oppitz in Gelächter aus. «Da können S’ einmal sehen», prustet er, «dass auch ein böser Plutokrat humorvoll sein kann … Aber ganz im Ernst», er nimmt die Brille ab und fährt sich mit dem Handrücken über die tränenfeuchten Augen, «in der Oberliga kann man sich ganz einfach keine Vorurteile leisten. Schwarz oder schwul? Zigeuner oder Jud? Veganer oder Menschenfresser? Umwelt- oder Kinderschänder? Solche Fragen stellen sich den heutigen Eliten nicht, die sind nur dazu da, den Pöbel zu beschäftigen. Die Durchschnittsbürger brauchen Reibungsflächen, weil sonst kommen sie am End noch auf weiß Gott was für Gedanken. Autofahrer gegen Radfahrer zum Beispiel, oder Einheimische gegen Asylanten, oder Raucher gegen Nichtraucher: Das sind die Themen, die die kleinkarierte Welt bewegen. Schauen Sie nur nach Griechenland: Kaum ist die Krise da, wem werden dann in der Gosse von Athen die Schädel eingeschlagen? Den Politikern? Den Bankern, Spekulanten oder Steuerhinterziehern? Nein, den Flüchtlingen, die aus noch ärmeren Ländern kommen. Etwas Besseres kann unsereinem nicht passieren. Solange das so ist, fragt keiner nach der Legitimation der wahren Leistungs- und Entscheidungsträger.»
    «Davon wissen Sie und Ihre Frau Gemahlin ja ein Lied zu singen», wirft Polivka ein. «Ich sag nur: Tigermücke, Gender-Mainstreaming und Binnen-I.»
    «Sie meinen diese Sache vor zwei Jahren, den Parlamentsantrag von meiner Frau auf Änderung des Ärzteeids? Na, sicher! Kurz davor ist irgend so ein Journalist auf unseren kleinen Coup mit dem Insektenspray gekommen, also sag ich meiner Gattin: Gib den Querulanten von der Presse etwas anderes zu fressen, etwas, das die Leitartikel füllt und die Gemüter der Nation erhitzt. Was soll ich Ihnen sagen? Bingo. In den österreichischen Medien ist eine Riesendiskussion über Political Correctness ausgebrochen, aber uns hat keiner mehr am Zeug geflickt. Da kann man einmal sehen, wie man auf der nationalen Ebene auf der Hut sein muss, schon deshalb, weil die Sprachbarrieren wegfallen. Wenn dir da so ein professionelles Schandmaul eine deiner – zugegeben, nicht ganz sauberen – Geschäfte vorwirft, dann verstehen das die Leute! Im

Weitere Kostenlose Bücher