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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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antwortet er schließlich, «hat sich mit Brandanschlägen auf Autos beschäftigt, hauptsächlich auf SUVs und andere Luxuswagen …»
    «Bravo. Gut gemerkt. In der Diktion der Reinen waren’s natürlich linkslinke Chaoten, die die Autos abgefackelt haben.»
    «Und in Wirklichkeit?»
    Fürst Omar lächelt hintergründig. «Erstens», sagt er, «spült so eine Meldung Millionen in die Geldbeutel der Sicherheitsindustrie: Seit gestern ist die Nachfrage nach Überwachungskameras und Alarmanlagen um fast zehn Prozent gestiegen. Zweitens wird den permanenten Nörglern, die in INDECT einen Angriff auf die Bürgerrechte sehen, auf diese Art das Maul gestopft: Wenn’s einmal auf den Straßen brennt, hört keiner mehr auf diese Klugscheißer, dann brauchen wir auf jeden Fall ein Mehr an Sicherheit. Und drittens wird die Autowirtschaft angekurbelt: Die zerstörten Limousinen wollen ja auch ersetzt sein. Aber weiter, Herr Bezirksinspektor, was haben unsere lieben Redakteure noch berichtet?»
    «Dass man nicht mehr ohne Sturzhelm Fahrrad fahren sollte. In den letzten Monaten sind angeblich erschreckend viele tödliche Radunfälle registriert worden.»
    «Vollkommen richtig. In Europa gibt es, vorsichtig geschätzt, so an die achtzig Millionen Radfahrer. Wenn sich davon auch nur die Hälfte einen Sturzhelm kauft, dann macht das – bei einem bescheidenen Durchschnittspreis von, sagen wir, fünfzig Euro – einen Umsatz von zwei Milliarden. Also gut, was haben Sie noch gelesen?»
    «Wassermangel in Europa … Neues Vogelgrippevirus …» Polivka verliert die Lust, er fühlt sich wie ein Schüler bei der Abschlussprüfung. Gleichzeitig verfestigt sich sein wässriger Verdacht zur eisigen Gewissheit: Das ist kein Examen, das ist eine Lehrstunde. Eine Lektion in Skrupellosigkeit und Niedertracht.
    «Das mit dem Wasser und der Pandemie», sagt Oppitz jetzt, «hat weniger mit meinem neuen Geschäftsmodell zu tun. Das war die ganz normale Pressearbeit. Hier eine bezahlte Studie – unsere Wissenschaft muss schließlich auch von etwas leben –, da ein vorgefertigter, auf die gefälschten Untersuchungen gestützter Text, der an die Medien geschickt und dort mit Handkuss publiziert wird. Handkuss deshalb, weil Sie den Herren Redakteuren gleichzeitig das eine oder andere ganzseitige Inserat abkaufen. Tägliche Routine also. Funktioniert aber wie eh und je. Die Vogelgrippe wird in erster Linie von der Zeitungsente übertragen, trotzdem wird sie Jahr für Jahr zum Höhenflug für die Pharmaindustrie. Die Meldung von der Wasserknappheit ist schon interessanter: Demnächst will ja die EU eine Verordnung für neue, sparsamere Duschköpfe erlassen. Was das für die Hersteller im Sanitärbereich bedeutet, brauch ich Ihnen nicht zu sagen. Volle Auftragsbücher, Aktien im Höhenflug, satte Prämien fürs Management. In manchen Teilen Südeuropas sitzen die Bewohner wirklich auf dem Trockenen. Das Lustige ist nur, dass anderen Gegenden das Wasser bis zum Hals steht. Holland beispielsweise. Oder nehmen Sie Berlin: Dort hat sich der Verbrauch im Lauf der letzten Jahre annähernd halbiert. Die Leitungen verkeimen, und das Grundwasser steigt in die Häuser, weil die wackeren Berliner gar so auf die Umwelt achten. Sparduschköpfe für Berlin, das ist so ähnlich wie ein Eiskastengebot für Lappland oder eine Kachelofenvorschrift für Sizilien. Die Wirklichkeit des kleinen Mannes findet eben nur in seinem Kopf statt, und dort wird sie von den Medien hineingepflanzt. Und was die Medien da hineinpflanzen, entscheiden die, auf deren Geld die Medien angewiesen sind. Wobei die hohe Kunst des Lobbying darin besteht, vorhandene Fakten so lang zu verzerren, bis eine opportune Wirklichkeit herauskommt. Aber was, wenn’s diese Fakten gar nicht gibt? Wenn nicht auch nur das kleinste Quäntchen einer opportunen Wirklichkeit beweisbar ist?»
    «Dann … schafft man diese Fakten selber», murmelt Polivka. Er hält den Kopf gesenkt, ist außerstande, Oppitz anzusehen, weil er befürchtet, auf der Stelle zu versteinern. Dieser gut gelaunte, eloquente Kerl da neben ihm ist eine Bestie, ein Basilisk: Mit einem Blick in seine Fratze holt man sich den Tod. Zu allem Überfluss ist dieses Scheusal auch noch blind, es nützt nichts, ihm den sprichwörtlichen Spiegel vorzuhalten. Olaf Markus Oppitz-Marigny verkörpert den wahrhaften Pöbel, der sein Schattendasein in den Chefetagen der Konzerne, Banken und Versicherungen, der Finanz- und Politikberatungs- und Consultingfirmen

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