Polizei-Geschichten
ist
nicht minder auf Betrug und Immoralität gebaut, als die
Thorheit des Hazardspiels.
Als Schenk sein Geld allmählig verschwinden sah, gab
er sich den unbestimmtesten Hoffnungen hin. Die Hoffnung
verließ ihn nicht, aber er wußte eigentlich nicht, worauf er
hoffte. Einmal wollte er sein Glück im Spiel versuchen, aber
der Gedanke, daß er von dem Rest seines Geldes noch so
und so viel Tage leben könne, während er hier vielleicht das
Ganze auf einmal einbüßen würde, hielt ihn wieder zurück.
Es war ihm immer, als wisse er fest, daß sich diese Lage
doch noch ändern werde. Wenn er über die Straße ging, so
blickte er immer rechts und links auf das Pflaster, als ob er
etwas Verlorenes suche. Diese Hoffnung war unsinnig, nicht
wahr? Es war auch keine Hoffnung mehr, es war eine be-
wußtlose Träumerei, da ihm die Wirklichkeit nichts mehr
bot. Bei einem bestimmten Lebensziel hätte er auch nicht
nöthig gehabt, auf einen unbestimmten Zufall zu warten.
Der Anblick der vornehmen sorgenlosen Vergnüglinge ver-
ursachte ihm ein Gefühl zorniger Bitterkeit, und er fragte
sich jedesmal, was er denn gethan, daß er im Elend schmach-
ten müsse, und was wohl jene gethan, daß sie aufgespei-
cherte Reichthümer verschwelgen dürften? Wenn ein Rei-
cher seine goldgespickte Börse zog, blieb er unwillkührlich
stehn, und sein Blick haftete begierig auf den glänzenden
Münzen. Er dachte, daß diese Summe vielleicht hinreichen
würde, ihm eine zufriedene Zukunft zu begründen, und
eine leise Stimme fügte in seinem Innern hinzu: ein vor-
sichtiger Griff in solch eines Mannes Tasche, und du bist
gerettet. Als er sich zum erstenmal auf diesem Gedanken
ertappte, rannte er erschrocken, gleichsam um dem eignen
Innern zu entfliehen, von dannen. Aber die Versuchung be-
gann bald darauf wieder damit, daß sie ihm einredete: wenn
Einer jener Leute solch eine Börse verliert, so wirst du sie
doch aufheben und behalten; Jenen ruinirt sie nicht und
dich rettet sie. Dann durchwogten und kreuzten sich die
Gedanken weiter; der Begriff des fremden Gutes verlor sich
allmählig in ihm, und wenn er darauf zurückkam, so wußte
er ihn mit der Antwort zu bekämpfen, daß er eben so viel
Recht zum Leben wie jeder Andere habe, und daß sein
Elend eben so unverschuldet, wie der ererbte Reichthum der
Vornehmen unverdient sei. Zuletzt kam immer jener erste
Gedanke zurück, und wenn er ihn noch nicht ausführte, so
geschah es aus Furcht vor der Entdeckung und — weil er
im Augenblick noch einen ganz kleinen Rest der erhaltenen
Unterstützung besaß, weil die Noth ihn noch nicht gewalt-
sam dazu trieb. In seinem Innern war Schenk längst zum
Verbrecher geworden, bevor und ohne daß er selbst wußte.
Eines Tages wurde Schenk in dem Hause, wo er in Schlaf-
stelle lag, zu einem Manne beschieden, um eine Uneben-
heit am Fußboden auszuhobeln. Als er seine Arbeit been-
digt hatte und sich vom Boden erhob, war der Besitzer des
Zimmers auf einen Augenblick hinausgegangen. Schenk
sah mit einer Art ängstlicher Neugierde umher, während
er die Rückkehr des Mannes erwartete. Da bemerkte er
dicht am Ofen auf dem Boden eine Brieftasche. Daneben
stand ein Stuhl, über den einige Kleider gebreitet lagen;
augenscheinlich war die Brieftasche aus einem der Klei-
dungsstücke gefallen. Schenk lauschte einen Moment mit
bangem Zögern, ob Niemand komme. Es war Alles still,
und ängstlich vorsichtig hob er die Brieftasche auf. Als er
sie eben geöffnet hatte, und nur den Rand einiges Papier-
geldes sah, nahte sich von Außen der Schritt des Herrn.
Schenk wollte die Brieftasche rasch wieder zusammen-
klappen, aber die zitternde Hast ließ ihn im Augenblick das
kleine Schlößchen nicht finden, und mit einem plötzlichen
Entschluß schob er sie unter seinen Rock auf die Brust.
Als der Mann eintrat, klopfte sein Herz heftig gegen das
lederne Etui; es war, als wollten die Schläge das geraubte
Gut von dort wegdrängen. Während ihm der Eigenthümer
den Lohn für die Tischlerarbeit auf den Tisch zählte, stand
er in fiebernder Angst vor Entdeckung und die Sohlen
brannten ihm, den Ort seines Vergehens endlich verlassen
zu können.
Zu Hause fand er, daß die Brieftasche nur eine Kleinig-
keit an Geld enthielt. Er vermochte jedoch nicht, darüber
zu rechnen, seine Gedanken waren einzig mit seiner bösen
That beschäftigt. Die Folgen blieben auch nicht aus.
Als der Besitzer den Verlust seiner
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