Polizei-Geschichten
Brieftasche bemerkte,
stieg in ihm sogleich der Verdacht gegen den Handwerker
auf, da er sich des verlegnen und zweideutigen Benehmens
desselben erinnerte. Der Polizei-Kommissair, der alsbald
herbeigeholt wurde, begab sich nach der Kammer Schenks,
und sein erster Blick traf gleich den Gegenstand der Nach-
forschung. Der Unglückliche hatte, von seinem Gewissen
gefoltert, gar nicht daran gedacht, seinen Raub zu verbergen.
Schenk wurde alsbald verhaftet und später zu sechs-
wöchentlicher Einsperrung verurtheilt.
Hatte in ihm schon das böse Bewußtsein seiner That
die bittersten Gefühle erweckt, so wurde er während
seiner Haft vollends von tiefster Beschämung und Reue
ergriffen. Die Genossen, welche er hier fand, waren meist
alte, mit Verbrechen vertrautere Gefangene, die den
scheuen, in sich gekehrten Neuling mit der Jauche ihres
Spottes übergossen. Schenk fühlte, wie sein Herz bei den
rohen Späßen seiner in Sünde erzogenen Gefährten sich
zusammenzog. Er gedachte mit Entsetzen, wie doch er
auch denselben Weg dieser Unglücklichen bereits betreten
habe, und die Zukunft, die er hier vor sich sah, erfüllte
ihn mit verzweifelnder Angst. Der einzige Trost, der ihn
noch aufrecht hielt, war seine Geliebte. Dies arme Wesen
hing mit rührender Treue an ihm, und statt ihn in seinem
Elend zu verlassen, hatte sie sich mit doppelter Hingebung
an ihn angeschlossen. Ihr Herz blutete über das Vergehen
und die beschämende Lage ihres Geliebten, aber sie dul-
dete schweigend, ohne einen Laut der Klage zu äußern. Sie
machte ihm keine Vorwürfe, sie redete ihm nie von ihrem
Kummer, sie hoffte nur durch ihre Liebe ihn auf eine an-
dere Bahn zu führen. Schenk wurde tief ergriffen von dem
stummen Leiden dieser treuen Seele, und in stillen Stun-
den sagte er sich oft, daß er noch einmal Alles aufbieten
wolle, um sich ein ehrliches Leben zu sichern, und wenn
ihm dies nicht gelänge, lieber vom Leben als von der Ehr-
lichkeit zu lassen.
Die Sonne des Glücks schien noch einmal über den beiden
Liebenden aufgehen zu wollen.
Schenk erhielt unmittelbar nach seiner Freilassung die
Nachricht, daß eine alte Verwandte, deren er sich kaum
erinnerte, gestorben sei und ihm ein paar Hundert Thaler
hinterlassen habe. In dem befriedigenden Stolz des Ge-
fühls, seine Vorsätze nun ausführen zu können, eilte er
zu seiner Verlobten, und mit Thränen freudiger Hoffnung
versprach er ihr jetzt, das Glück ihres Lebens durch kein
Vergehen mehr zu trüben.
Schenk hatte kurz vorher, ehe ihn der Unfall mit seinem
Arme traf, den Meisterbrief erhalten, und war Anfangs, weil
ihm die Mittel zu einem selbstständigen Geschäft fehlten,
später, weil ihn auch sein Gebrechen hinderte, noch bei sei-
nem ersten Meister geblieben. Jetzt wurde eine Werkstatt
eingerichtet, mehrere Gesellen wurden geworben, und als
die Arbeit in Schwung gekommen war, fand endlich auch
die Vereinigung der beiden Liebesleute statt.
Eine Zeit lang ging das Geschäft ganz gut. Die Gesel-
len waren tüchtige Arbeiter, Schenk verstand dem Gewerk
wohl vorzustehen, und da es im Ganzen genug zu thun gab,
so war auch der Verdienst leidlich vortheilhaft. Schenks
Frau fühlte sich Mutter, und dies neue Band der Vereinig-
ten erhöhte das friedliche Glück ihres Heerdes.
Allmählig aber stellten sich einzelne Sorgen ein.
Die Leute, welche bei Schenk arbeiten ließen, bezahlten
nicht immer sogleich, und Schenk konnte sich die Kund-
schaft bei den vornehmen Leuten nicht dadurch verder-
ben, daß er alsogleich sein Geld verlangte. Doch mußte er
selbst seine Gesellen und das Material zur Arbeit regelmä-
ßig bezahlen. Schenk war daher genöthigt, hin und wieder
Schulden zu machen. Die unregelmäßigen Einnahmen lie-
ßen ihn nicht zur ordentlichen Einrichtung kommen, und
es kam öfters vor, daß er das Geld, statt damit die kleinen
Schulden zu bezahlen, in die Wirthschaft verwenden
mußte. So wurde er allmählig immer verschuldeter, ohne
es eigentlich selbst ganz zu bemerken.
Als seine Frau in die Wochen kam, war eben wieder
stille Zeit unter den Tischlern eingetreten, und Schenk
hätte bei den geringen Bestellungen zwei seiner Gesel-
len entlassen können. Aber die gesteigerten Bedürfnisse
zwangen ihn zu verdoppelter Anstrengung, und statt die
Arbeit der Zeit gemäß beschränken zu können, war er ge-
nöthigt, dieselbe auf eigne Gefahr fortzuführen und zu
erweitern. Schenk arbeitete, was sonst nie
Weitere Kostenlose Bücher