Polt - die Klassiker in einem Band
weiter?“
„Als ich ihn gefragt habe, ob er die Höhle im Lößabsturz kennt, ist er davongelaufen.“
„Das höre ich weniger gern. Aber es sagt nicht viel.“
„Ganz meine Meinung.“
„Hast du Pläne, was die vier Helden angeht?“
„Eigentlich nicht. Der Klaus ist kein Feigling und schon gar nicht auf den Kopf gefallen … Tut mir leid, ich wollte dich nicht an deinen Unfall erinnern. Ich könnte mir denken, daß der Klaus von sich aus etwas unternimmt.“
„Ja, jetzt vielleicht noch. Treib ihn nur nicht in die Enge, Simon.“
„So lange es sich vermeiden läßt.“
„Ich hätte gerne eine andere Antwort gehört, aber das ist wohl zuviel verlangt. Magst du irgendwas trinken?“
„Kaffee, wenn du das schaffst.“
„Dein Vertrauen in meine Kochkünste ist nicht gerade grenzenlos.“
„Ich habe mehr an deine momentane Schwäche gedacht.“
„Ah ja, so richtig hinfällig und hilflos. Und du nützt eine solche Situation natürlich nicht aus.“
„Wie könnte ich!“
Karin seufzte. „Na gut, dann eben Kaffee. Was hast du eigentlich noch vor, heute?“
„Nicht viel. Vielleicht schau ich bei Frau Hahn vorbei. Die ist ja umgezogen, vor einiger Zeit. Ich wüßte gerne, wie es ihr so geht.“
„Seit ihr Mann, dieses Scheusal, verdienstvollerweise ins Jenseits befördert wurde, kann’s ihr nur besser gehen.“
„Anzunehmen.“ Simon Polt rückte an Karin heran und nahm ihren Kopf ganz vorsichtig in beide Hände. „Komm du nur rasch wieder auf die Beine.“
„Bin schon dabei.“ Sie umfaßte seine Handgelenke und stand schwungvoll auf.
„Spiel mir nichts vor“, brummte Polt.
Frau Hahn hatte reichlich geerbt und noch dazu alles verkauft, was sie an ihren Mann erinnerte. Sie war in ein altes, ruhig gelegenes Bauernhaus gezogen. Wenigstens von außen gesehen, war nichts daran erneuert worden, nur behutsam ausgebessert. Ein altmodisches Fahrrad lehnte an der Hausmauer. Polt lehnte seins dazu und klopfte an die Tür. Er brauchte nicht lange warten. Frau Hahn öffnete und warf einen Blick auf die zwei schwarzen Fahrräder. „Die mögen einander irgendwie, was? Inspektor Polt! Herein mit Ihnen.“
Er folgte ihr. „Das klingt schon anders als vor zwei Jahren, als ich mit einer Todesnachricht vor der Tür stand, nicht wahr, Frau Hahn?“
„Wem sagen Sie das. Aber in meiner Küche waren Sie schon damals willkommen.“
Simon Polt kam aus dem Staunen nicht heraus. Frau Hahn wohnte so, wie er es sich immer erträumt hätte. Schöne alte Sachen, aber keine protzigen Antiquitäten, aufgeräumte Behaglichkeit, doch keine museale Ordnung. Alles war da, mit dem es Freude machte zu wohnen, und nichts war zu viel. Simon Polt setzte sich an den Küchentisch, roch feinen Bratenduft, den er nicht recht einordnen konnte, und beobachtete Frau Hahn, die zwei Gläser aus der Kredenz nahm und eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank. „Wenigstens mit einem Schluck müssen wir unser unverhofftes Wiedersehen begießen. Das Saufen habe ich übrigens aufgegeben. Jetzt ziehe ich die Qualität der Quantität vor. Geld spielt ja kaum eine Rolle.“ Sie öffnete die Flasche behutsam und schnupperte am Korken. „Ein 92er Riesling vom Höllenbauer. Dürfte Ihnen ja bekannt vorkommen.“ Sie füllte die Gläser halb. „Prost auf unser singuläres Glück!“
Simon Polt versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. „Warum sind Sie damals eigentlich in Burgheim geblieben, nach all den schrecklichen Ereignissen?“
Polt hörte jenes kleine, boshafte Lachen, das ihm so unverständlich war wie damals, als er ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbringen hatte müssen. Frau Hahn nippte an ihrem Glas. „In Wien wäre ich als lustige Witwe bestenfalls eine komische Figur, Herr Inspektor. Aber hier draußen falle ich wenigstens auf. Sogar das Illustrierte Heimatblatt hat schon über mich berichtet. Leider mit viel zu züchtigen Fotos.“
Frau Hahn hatte sich eine neue Frisur zugelegt, und die häßliche Kittelschürze, die sie früher tagaus, tagein getragen hatte, war wohl bei den Putzfetzen gelandet. Die zierliche Frau war einfach angezogen, doch die Sachen schmeichelten ihr, und sogar Simon Polt, der von Mode überhaupt nichts verstand, erkannte, daß sie ausgesuchte und entsprechend teure Qualität am Leibe trug. Er bemerkte auch erstaunt, daß sich unter ihrem dünnen Pullover zwei kleine, muntere Brüste bewegten. Frau Hahn hatte seinen Blick wohl gespürt und lächelte flüchtig.
Nur nicht rot werden,
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