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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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dachte Polt. „Was ist eigentlich mit diesem mörderischen Angeber Swoboda los? Haben Sie noch Kontakt mit ihm?“
    „Aber freilich. Er ist zwar auch im Gefängnis der alte Windbeutel geblieben, aber etwas Selbstironie macht ihn neuerdings erträglich. In zwei Jahren, schätze ich, wird der Florian wieder ein freier Mann sein, und ich werde schon dafür sorgen, daß er und seine Frau irgendwie durchkommen.“
    „Bibsi? Wie geht’s denn der?“
    „Recht gut. Sie ist von Wien nach Burgheim gezogen und hilft mir sozusagen als Wirtschafterin. Wir sind richtige Freundinnen geworden. Ein ideales Paar, sie dick und ich dünn. Wenn man uns beide zusammenzählt und dann halbiert, haben wir fast schon das Idealgewicht.“
    „Und was ist aus Swobodas Preßhaus geworden?“
    „Das habe ich dem Florian abgekauft, zu einem kräftig überhöhten Preis, er kann’s ja wirklich brauchen. Der geschmacklose Krempel ist natürlich hinausgeflogen. Jetzt hat das Preßhaus sein Gesicht wieder, mit altem bäuerlichen Gerät und schön-schäbigen Möbeln.“
    „Und wo findet man so etwas heutzutage noch?“ fragte Polt nicht ohne Neid.
    „Ich habe nicht lange suchen müssen. Geld, wissen Sie? Ordentlich viel Geld. Da wird manches möglich.“
    „Aber nicht alles.“
    „Ich bin mir da nicht so sicher. Aber ich zeige Ihnen gerne bei Gelegenheit das Prunkstück, es sei denn, Sie fürchten sich vor den Annäherungsversuchen einer unersättlichen Witwe.“
    „Wir werden sehen.“
    „Und was macht der Beruf, mein lieber Herr Gendarm? Der tödliche Zusammenstoß von dem alten Breitwieser und dem Rudi Riebl ist ja nicht ganz astrein, wie?“
    „Nein, bestimmt nicht. Aber das ist nicht mein größter Kummer. Der Willi ist tot.“
    „Willi? Und wie noch?“
    „Das weiß keiner. Er war elternlos und ist bei Frau Raab aufgewachsen. Ein geistig Behinderter, wir waren aber irgendwie befreundet miteinander.“
    „Das sagen Sie so einfach! Kann das funktionieren?“
    „Oh ja.“
    Frau Hahn berührte Polts rechten Handrücken. „Hat weh getan, wie? Möchten Sie erzählen?“
    Polt erzählte. Frau Hahn hörte schweigend zu. „Und jetzt fragen sich alle in der Gegend, ob der Simon Polt selbst eine Schraube locker hat, weil er wegen eines armen Depperls so ein Theater macht.“
    „So ungefähr. Nur bei der Karin Walter liegen die Dinge anders.“
    „Natürlich. Die muß diesen Willi ja schon Ihretwegen mögen.“
    „Versteh ich nicht.“
    „Ist auch nicht nötig. Und niemand weiß, wer die Eltern sind? Sonst wissen die im Dorf doch immer alles.“
    „Vielleicht wäre das herauszukriegen. Aber ich suche ja keine Eltern, sondern einen Täter oder eine Täterin.“
    „Auch wieder wahr. Andererseits: Mein liebenswerter Mann hätte mit einem behinderten Kind kurzen Prozeß gemacht, wie auch immer. Ganz abgesehen davon, daß es nicht von ihm gewesen wäre.“ Sie lachte leise. „Ich habe übrigens eine Lammkeule im Rohr. Von einem Biobauern hier in der Gegend. Mit Thymian, Knoblauch und Rosmarin in Olivenöl geschmort. Essen Sie mit? Dann brauchen die Bibsi und ich nicht so viel davon einzufrieren.“
    Polt überlegte. „Ja, gerne, warum nicht“, sagte er dann.
    „Dazu darf’s ausnahmsweise ein Fremdling sein? Ein Bordeaux, Château Ausone. Noch dazu 1995, feiner geht’s nicht.“
    Eine gute Stunde später lehnte sich Simon Polt selig betäubt zurück und gestand sich ein, noch nie in seinem Leben so gut gegessen zu haben.
    Frau Hahn lächelte. „War’s recht?“
    „Ich bin ziemlich überwältigt.“
    „Das tröstet eine einsame Witwe. Besuchen Sie mich bald wieder?“
    „Wenn ich darf?“
    „Sie müssen.“
    „Dann wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben. Auf Wiedersehen also und vielen Dank noch!“ Polt setzte sich aufs Fahrrad und fuhr ziellos seiner Wege. Irgendwann fand er sich vor dem Lößabsturz wieder, ging zur Riede todter Hengst hinauf und suchte die Stelle, wo er Willi angetroffen hatte. „Da bist du gesessen“, murmelte er, „und dann ist etwas passiert. Vor Tieren hast du dich nicht gefürchtet. Menschen haben dich höchstens verwirrt, oder auch einmal erschreckt. Aber du hast glücklich dreingeschaut, als ich dich unten im Gras liegen gesehen habe. Warst du wirklich gleich tot? Bringt man es fertig, sich über etwas zu freuen, nach so einem fürchterlichen Sturz? Na ja, du vielleicht schon. Sag, worüber könntest dich gefreut haben, oder über wen?“
    Polt hatte viel gegessen und er spürte den Rotwein.

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