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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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Edmund! An dem scheint sich die oft fälschlich behauptete konservierende Wirkung des Rotweines ja doch zu bestätigen.« Der Arzt nahm einen durchaus nicht zaghaften Schluck vom Blauburger.
    Jetzt lachte Schachinger sogar. »Das können Sie laut sagen! Haben Sie übrigens schon den Staubigen verkostet in diesem Jahr, Herr Doktor?«
    »Nein. Es ist eine Schande. Aber ihr Burschen laßt einem ja keine Zeit zum Trinken, mit euren Krankheiten.«
    »Dann sind Sie in meinen Keller eingeladen«, sagte Schachinger fast feierlich, »überhaupt, wo heute Martini ist.«
    »Heute?« überlegte der Arzt, »vielleicht jetzt gleich auch noch? Das ist leider ganz und gar unmöglich. Einfach ist es jedenfalls nicht. Also, Herr Schachinger, da muß ich erst einmal… ach was, Sie haben mich überredet.«
    »Leicht war es aber nicht!« klang Christian Wolfingers Stimme vom Nebentisch herüber.
    Schachinger war aufgestanden. »Unser Luftlochschießer, wer sonst. Wer dumm redet, kommt mit!« Dann machte er eine umfassende Gebärde. »Und wer dumm dreinschaut, auch.«
    Simon Polt betrachtete konzentriert sein Weinglas und fuhr unmerklich zusammen, als er angesprochen wurde: »Ich weiß nicht, ob der Herr Inspektor mit unsereinem was trinkt, aber wenn er will, dann soll er auch, in Gottes Namen.«
    Es dauerte keine zehn Minuten, bis die Männer vor Josef Schachingers Preßhaus standen. Natürlich war jeder von ihnen mit dem eigenen Auto gefahren, nur der Gendarm hatte Friedrich Kurzbacher gebeten, ihn mitzunehmen. Die älteren Weinbauern erinnerten sich noch sehr gut an die Zeit, in der sich nur wirklich reiche Leute ein Auto leisten konnten. Jetzt hatte jeder eines und dachte nicht daran, auf dieses herrschaftliche Stück Freiheit jemals zu verzichten. Erst vor einigen Wochen war in der Lokalzeitung ein Leserbrief abgedruckt gewesen, in dem sich ein Feuerwehrhauptmann wütend darüber beschwerte, daß es ein junger und offensichtlich unerfahrener Gendarm gewagt hatte, ihn nach einem Fest auf dem Sportplatz spätnachts an der Heimfahrt mit dem eigenen Wagen zu hindern, und ihm sogar frech nahelegte, die paar hundert Meter für einen erfrischenden Spaziergang zu nützen. Immerhin fuhren die älteren Leute vorsichtig, wenn sie getrunken hatten, doch auch das half nicht immer: Neulich hatte es ein Weinbauer fertiggebracht, ausgerechnet mit dem Traktor und bei Tageslicht, bedächtig, aber unerbittlich drei Zapfsäulen der Burgheimer Tankstelle umzulegen.
    Schachinger hatte schon die Preßhaustür geöffnet und im Dunkeln mit selbstverständlicher Sicherheit den Lichtschalter gefunden. Wortlos nahm er ein paar kleine Gläser von Holzstäben, die schräg nach oben aus einem Wandbrett ragten, spülte die Gläser unter fließendem Wasser aus, griff nach dem Tupfer, dem Weinheber, ging zur Kellertür und forderte die anderen mit einer gebieterischen Kopfbewegung auf, ihm zu folgen.
    Simon Polt war zum ersten Mal hier und schaute sich zunehmend verwundert um: Statt geradlinig oder sachte gekrümmt in den Löß vorzudringen, senkte sich diese Kellerröhre mit abschüssigen Flächen zwischen kleinen Etagen immer tiefer und endete schließlich in einer urtümlichen Höhlung, die gerade noch Platz für einen Tisch und ein paar Sessel bot.
    »Na also«, sagte der Herr der Tiefe befriedigt, als er die Runde in seinem Reich versammelt sah. »Wir wären soweit.«
    Wenig später sprudelte Grüner Veltliner in die Gläser, fast schon klar, nur von einem feinen Schleier getrübt. Die Männer sagten prost, denn das durften sie nach altem Brauch erstmals am Tag des heiligen Martin. Sie kosteten •schweigend. Nach dem zweiten Schluck stieß Dr. Eichhorn einen ebenso genießerischen wie melancholischen Seufzer aus. »Phantastisch«, sagte er. »Jammerschade eigentlich, daß dieser vollmundige Naturbursche nach dem Filtrieren nur noch ein braver Vorzugsschüler sein wird.«
    »Geht nicht anders«, sagte Josef Schachinger und wandte sich ab, um eine neue Kostprobe zu holen. Eine gute Stunde später legte er den Weinheber beiseite, verschwand in der Dunkelheit eines Seitenganges und kam mit einer Flasche Rotwein wieder, die offensichtlich schon sehr lange im Keller gelegen hatte. »Zehn Jahre ist der Bursche alt. Anfangs habe ich geglaubt, daß nie etwas aus ihm wird, weil er so unharmonisch war. Aber inzwischen: Meine lieben Freunde, mein lieber Herr Inspektor!« Er zog vorsichtig den Korken heraus, führte ihn zur Nase, nickte befriedigt und schenkte behutsam
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