Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
ein, um das Depot in der Flasche zu halten. »Also, dann prost mit einem anständigen Wein für anständige Leute und einen Gendarmen!«
    Als Polt kostete, erschrak er beinahe vor der wuchtigen Tiefe und der betörenden Harmonie dieses schweren Weines. »Da hört man die Engel singen«, sagte Dr. Eichhorn nach einer Weile andächtigen Schweigens. »Und den Teufel lachen«, ergänzte Schachinger, der schon wieder einschenkte. »Wenn das so weitergeht«, stellte Christian Wolfinger fest, »trage ich heut einen mordstrumm Rausch nach Hause.« Friedrich Kurzbacher nickte. »Nicht nur du.«
    Auch Simon Polt spürte, wie seine Gedanken allmählich ihre klaren Konturen verloren, ziellos und träge wurden, doch auch leicht und hellsichtig. Vorerst hatte er wenig Lust, sich dagegen zu wehren, denn er wollte die Gelegenheit nicht versäumen, diese kleine, matt erleuchtete Innenwelt unter der Erde so intensiv wie möglich zu erfahren.
    Josef Schachinger öffnete eine zweite Flasche, später noch eine dritte. Polt fiel auf, daß er sich die ganze Zeit über nie zu den anderen gesetzt hatte. Breitbeinig stand er in der Kellerröhre und beobachtete seine Gäste. »Hier unten«, sagte er irgendwann, wie zu sich selbst, »ist nur noch der Wein wichtig. Da ist mir die ganze Scheißwelt egal.«
    Karl Brunner, der lange geschwiegen hatte, blickte auf. »Aber am nächsten Tag ist alles wieder da, doppelt so groß und dreimal so schwer.«
    Dr. Eichhorn schaute nachdenklich zu ihm hinüber, schwieg aber. Dann fuhren alle zusammen, als Christian Wolfinger mit der Faust auf den Tisch schlug. »Und wer macht uns das Leben schwer? Verbrecher, wie der Hahn einer war! Ich sage euch, mit einem schlechten Menschen ist das wie mit einem schlechten Wein: Der muß weg, verdammt noch einmal.«
    »Da hat aber unser Herr Inspektor allerhand dagegen«, sagte Josef Schachinger ruhig. Wolfinger, der schon ziemlich betrunken war, faßte Polt vertraulich an der Schulter: »Dienstlich vielleicht, aber doch nicht wirklich, was, Simon?«
    »Doch«, sagte Polt. »Doch, wirklich.«
    »Darauf trinken wir noch einmal. Soviel Gerechtigkeit muß gefeiert werden.« Schachingers Augen glänzten angriffslustig.
    Polt spürte deutliches Unbehagen. Die Stimmung war anders geworden, er gehörte jetzt nicht mehr zur Runde, und hier unten saß er in der Falle.
    »Ich habe eine bessere Idee«, hörte er da zu seiner Erleichterung Karl Brunner sagen: »Wir probieren auch noch in meinem Keller, ob der Wein was taugt.«
    »Ihr bleibt hier«, entgegnete der Schachinger störrisch. »Wenn ich euch endlich einmal alle beieinander habe.«
    Karl Brunner hob andeutungsweise die Schultern. »Ja, wenn dir mein Wein zu gering ist, Josef…«
    »Natürlich nicht.«
    »Also, dann komm.«
    Im Licht, das aus der offenen Preßhaustür drang, suchten die Männer ihre Autos, und Polt nahm mit schlechtem Gewissen neben Kurzbacher Platz. »Geht’s noch, Friedrich?«
    »Immer.«
    »Sollst recht haben.«
    Karl Brunners Keller war weitläufig und klar gegliedert. Die großen Fässer lagen in einer gewölbten Hauptröhre, die ohne Krümmung in den Löß gegraben war und von der kurze Seitengänge abzweigten. Der Weinbauer stieg müde die Eisenleiter zum Spundloch hoch. »Flaschenwein gibt’s bei mir nicht«, sagte er und ließ den Wein in die Kostgläser laufen, »die Umstellung zahlt sich nicht mehr aus.«
    Simon Polt schaute auf Brunners Hand, die den Tupfer hielt und mit dem Zeigefinger den Strahl des Weines lenkte: brüchige Fingernägel, faltige, rissige Haut. Dann schaute er dem Alten ins Gesicht, der den Blick bemerkte und ihn ruhig erwiderte. Es lag bestimmt auch am Wein, aber Simon Polt spürte, daß an seiner plötzlich aufsteigenden, fast schon zärtlichen Zuneigung nichts Unechtes war. »Ich möchte euch allen was sagen«, begann er unsicher, nachdem sie getrunken hatten.
    »Na so was«, murmelte Josef Schachinger.
    Der Gendarm ließ sich nicht beirren. »Es gibt eine Menge Gründe, schlecht über den Herrn Hahn zu denken, aber eines nehme ich ihm besonders übel: daß er es auch nach seinem Tod noch schafft, sich zwischen euch und mich zu drängen.«
    Nachdenkliche Stille folgte, dann sagte Christian Wolfinger heiter und mit schwerer Zunge: »Selber schuld, der Herr Gendarm. Warum ist er auch so neugierig. Andrerseits: dieses Vergnügen wollen wir dem Arschloch von Hahn eigentlich nicht gönnen.«
    Keiner widersprach, doch bald zerstörte das Geräusch eines näherkommenden Autos
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher