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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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Sie übrigens«, sagte er.
    »Ich weiß. Ich bin der Schwarm vieler Männer. In den 50er Jahren war ich übrigens einmal Miß Strandbad in Floridsdorf. Hat sich aber ziemlich rasch gelegt, das mit der Schönheit.«
    »Ironie bringt uns nicht weiter.« Polt seufzte. »Es gibt viele im Dorf, die Bartl verachten, aber keinen, der ihm etwas antun würde. Doch er könnte irgendwie für Florian Swoboda oder diesen Dipl.-Ing. Pahlen gefährlich geworden sein.«
    »Sie meinen, er hat an einem dieser Abende bei uns etwas erfahren, das er besser nicht wissen sollte?«
    »Gut möglich.«
    »Wenn ich nicht gezwungen wurde, dabeizusein, war ich meistens oben, im Schlafzimmer. Manchmal habe ich auch nichts mehr mitbekommen, weil ich betrunken war. Aber natürlich steckte jeder Satz meines Mannes voller Anspielungen.«
    »Haben Sie gewußt, daß Swoboda arm wie eine Kirchenmaus ist?«
    »Wirklich? So etwas Ähnliches habe ich geahnt. Jedenfalls hat er unter Alberts Bosheiten noch am wenigsten gelitten. Solange er seinen aufgeblasenen Lebenswandel finanzieren konnte, war er auch bereit mitzuspielen. Er ist ein harmloser Narr.«
    »Und der Architekt?«
    »Kein Narr und nicht harmlos. Ich kann mir bis heute nicht erklären, was diesen Mann dazu gebracht hat mitzumachen.«
    »Ich kenne mich da nicht so aus…« Der Gendarm spielte verlegen mit der neben ihm liegenden Kundenzeitung der Fleischerinnung, »aber könnte es nicht auch so sein, daß Pahlen irgendwie Spaß an diesen Erniedrigungen hatte - ich meine, Masochismus oder so?«
    Grete Hahn versuchte erst gar nicht, ein Lachen zu unterdrücken. »Da sind Sie bei mir richtig, Inspektor. Ich kenne mich nämlich aus, und die Unterwerfung des Herrn Architekten unter die Launen meines Mannes war nicht eine Sekunde lang lustvoll.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Gendarm mit spröder Stimme, »aber weil wir schon beim Thema sind: Und Ihre - ich nenn’s auch Unterwerfung?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Grete Hahn. »Ich weiß es wirklich nicht.«
     
    Das Schlafzimmer im ersten Stock
     
    »Die Verdächtigen rennen uns schon die Tür ein«, sagte ein Kollege, als Simon Polt in die Dienststelle kam. »Herr Dipl.-Ing. Pahlen wartet auf dich, beim Kirchenwirt.«
    »Das rettet mich vor dem Hungertod«, entgegnete Polt zufrieden und war auch schon wieder unterwegs.
    Der Architekt saß ausgerechnet dort, wo Bartls Lieblingsplatz war, vor ihm stand ein Glas Mineralwasser. Nervös blickte er hoch, als der Gendarm eintrat. »Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Herr Inspektor, daß Sie gekommen sind.«
    »Ich bin nicht freundlich, Sie ersparen mir einen Weg«, stellte Polt richtig. »Darf ich schnell noch eine Kleinigkeit essen?«
    »Was für eine Frage! Ich warte natürlich gerne.«
    Eine gute halbe Stunde später gingen die beiden gemächlich einen Güterweg entlang, der an der neuen Mehrzweckhalle vorbei in die Weingärten führte. Der Architekt hatte die Hände in die Manteltaschen gesteckt und die Schultern hochgezogen. »Ein Verbrechen«, murmelte er.
    »Was meinen Sie?«
    »Na, dieses Monstrum da: anmaßende Dimensionen, banale Gestaltung und gedankenlose Plazierung. Ein brutaler Faustschlag in die Harmonie der Landschaft.«
    »Da haben Sie recht.« Polt seufzte. »Andererseits: wenn endlich einmal gebaut wird in dieser Gegend und die Landesregierung sogar Geld lockermacht, muß das Ergebnis eben möglichst groß, kostengünstig und zweckmäßig ausfallen. Die Leute hier sind richtig stolz auf ihre Halle, und ich kann das auch verstehen.«
    »Und der barocke Schüttkasten in Burgheim verfällt. Warum hat man den nicht zum Veranstaltungszentrum ausgebaut?«
    »Weil er keinen Parkplatz vor der Tür hat. Das macht ihn für unsere Autonarren so gut wie uninteressant. Aber es ist nicht unser Thema, nicht wahr?«
    »Nein.«
    Nach einer längeren Zeit des Schweigens gab sich der Architekt einen Ruck. »Ich werde Ihnen einfach eine Geschichte erzählen, eine Bitte aussprechen, und Sie entscheiden dann, was zu tun ist.« Als Polt stumm blieb, fuhr er fort. »Sie wissen vermutlich, daß ich mit Albert Hahn und Florian Swoboda in Wien die Mittelschule besucht habe.«
    »Das weiß ich.«
    »Die ganze Zeit über war ich der beste Schüler von uns dreien. Doch in der achten Klasse geschah etwas, das mir heute eigentlich ganz plausibel vorkommt: Ich fühlte mich so maßlos überlegen, daß ich leichtsinnig wurde. Kurz vor der Matura hatten jedenfalls meine zwei Schulfreunde ungleich bessere
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