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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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Chancen durchzukommen als ich: Florian war in den letzten Monaten aus purer Verzweiflung wirklich fleißig gewesen, und Albert war schon damals so gerissen, daß er sich ganz bestimmt irgendwie durchschwindeln würde. In mich, den Musterschüler, setzten die Prüfer aber hohe Erwartungen, und es war mir klar, daß sie in ihrer Enttäuschung um so härter urteilen würden. Ich sprach mit Albert darüber. Der grinste geheimnisvoll und sagte, er könne mir schon helfen. Es sei auch nicht nötig, von meiner Seite aus irgend etwas zu unternehmen, ich müsse ihm nur absolut vertrauen. Einerseits hatte ich Angst, andererseits war so eine heimlichtuerische Abenteuergeschichte auch faszinierend für mich. Albert ließ mich ein leeres Blatt Papier unterschreiben, und ein paar Wochen später hatte ich wie durch ein Wunder die Matura geschafft. Dann erfuhr ich erst die ganze Geschichte: Albert wußte davon, daß unser Klassenvorstand ein Verhältnis mit einer Mitschülerin hatte.«
    Polt blieb unwillkürlich stehen. »Erpressung also.«
    »Ja, ein perfekt formulierter Brief, auf der Schreibmaschine getippt und mit meiner Unterschrift versehen.«
    »Das hätte bei einem mutigeren Lehrer auch anders ausgehen können.«
    »Allerdings. Aber der Schuldige wäre ja nur ich gewesen. Albert hatte seinen Nervenkitzel - so oder so.«
    »Und später hat er Sie damit unter Druck gesetzt?«
    »Nicht so direkt. Er gab mir nur manchmal scherzhaft zu verstehen, daß mein Studium mit einem hübschen kleinen Verbrechen begonnen habe, und er konnte sehr ungehalten werden, wenn ich versuchte, ein wenig Distanz zwischen ihn und mich zu bringen.«
    »Und seine seltsamen Feste?«
    »Damit hat es erst vor etwa zehn Jahren so richtig begonnen. Vorher haben wir eigentlich nur ziemlich exzessiv miteinander getrunken und sind schon auch einmal in einem Bordell gelandet. Erst nach und nach, für uns unmerklich, verloren wir den Halt. Als Albert dann wußte, daß kein nennenswerter Widerstand mehr zu erwarten war, kündigte er an, uns in Zukunft die bürgerlichen Flausen ein wenig nachdrücklicher auszutreiben.«
    »Was hat denn Florian Swoboda an Albert Hahn gebunden?«
    »Einfach Geld, denke ich. Florian ist ein recht origineller, aber nicht allzu intelligenter Bruder Leichtsinn und ein hemmungsloser Angeber. Albert hat ihn immer darin unterstützt, er mochte nun einmal menschliche Marionetten. Nur Bibsi ist ihm ein wenig in die Quere gekommen.«
    »Was, die?« Polt war ehrlich verblüfft.
    »Ja, Bibsi hat Rückgrat und hält zu ihrem Mann. Weiß der Teufel, warum.«
    »Und Sie, Herr Architekt? Familie?«
    »Nein, ich habe es nie gewagt. Einerseits stand ja meine Existenz in all den Jahren auf tönernen Säulen, und andererseits war mir zwischendurch sehr wohl bewußt geworden, wie sehr die Trinkerei meine Persönlichkeit verändert hatte. Ich bin nur noch Fassade, Inspektor. Innen ist nichts mehr.«
    Der Weg hatte die beiden in einen kleinen Talschluß geführt, umfangen von Rebhängen. Die blasse Novembersonne war schon hinter dem Hügelrücken verschwunden, und allmählich fiel Nebel ein.
    »Als Albert dann tot in seinem Keller aufgefunden wurde«, fuhr Pahlen fort, »war ich erst einmal maßlos erleichtert. Gleich darauf erkannte ich aber, daß Florian und ich noch immer von ihm abhängig waren. Swoboda mußte um sein lustiges Leben fürchten und ich noch immer um meine berufliche Existenz. Ich bin sicher, daß Albert Beweise für den Piüfungsbetrug aufbewahrt hat, und von diesen ekelerregenden Festen gibt es Fotos. Das ist die Situation, und darum fällt es dem Florian und mir auch so schwer, mit dem Trinken aufzuhören. Mehr gibt’s nicht zu sagen.«
    »Doch. Sie haben etwas vergessen: die Bitte.«
    »Ja, richtig. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Mit einiger Selbstbeherrschung könnte es mir gelingen, meinen Beruf bis zur Pensionierung auszuüben, ohne daß meine Kunden etwas merken, und vielleicht habe ich Glück und keine von Alberts Zeitbomben geht hoch. Ich wollte Ihnen alles erzählen, damit Sie meine Rolle richtig einschätzen können. Natürlich ist mir klar, daß ich weiter zu den Verdächtigen zähle, was Albert Hahn betrifft und auch diesen unglückseligen Bartl. Meine Aussage, daß ich nicht der Täter bin, ist hier und jetzt wohl nur von theoretischer Bedeutung. Aber es liegt an Ihnen, meine schöne Fassade unversehrt zu lassen. Sie ist so etwas wie die letzte Krawatte für einen, der schon sehr lange unter der Brücke schläft, wissen
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