Polt.
rasch ein Wurstbrot und verließ dann das Haus. Verblüfft fand er sich Minuten später vor der versperrten Tür des Kirchenwirtes wieder: Er hatte nach jahrelang eingeübter Gewohnheit hier ein schnelles Bier trinken wollen. Alter Depp, dachte Polt, grinste und fühlte sich besser. Gut, dann eben die Kellergasse. Die Tür von Norbert Sailers Presshaus stand offen. Er trat ein und ging durch das kleine menschenleere Gebäude in den matt erleuchteten Keller. Auch hier war niemand zu sehen. »He, Norbert, bist du da? Ich bin’s, der Simon!«
»Das nenn ich einen willkommenen Besuch!« Die Gestalt seines Freundes löste sich aus dem Dunkel eines Seitenganges. Sailer hielt eine Pistole in der Hand. »Nicht erschrecken, Simon! Du weißt ja, dass ich mir hier unten einen Schießplatz eingerichtet hab. Stört niemand, gefährdet niemand.«
»Eigentlich hab ich nie verstanden, warum. Ist es denn gar so lustig, das Schießen?«
»Ganz und gar nicht. Dass ich meinen Beruf als Polizist ernst nehme, weißt du ja. Und manchmal, sehr selten, aber doch, kommt es zum Waffengebrauch. Und auf solche raren Momente will ich vorbereitet sein. Ich will mit der Waffe so selbstverständlich hantieren, als wär’s die verlängerte Hand. Das Schießen muss für mich alltäglich sein. Nur so kann ich im Ernstfall ruhig, genau und angemessen handeln. Verstehst du?«
»Ja, schon, irgendwie.«
»Ich weiß schon, Simon. Du hast es wundersamerweise fertiggebracht, die Waffe nie in die Hand nehmen zu müssen. Tolle Leistung. Aber die Zeiten werden härter und die Menschen aggressiver. Doch lassen wir das.« Er hielt Polt die Pistole hin. »Magst einmal probieren?«
»Tu mir das nicht an, Norbert.«
»Aber du trinkst was mit mir?«
»Klingt schon besser.«
»Schön! Wart hier, ich sperr nur schnell meine Artillerie sicher weg.«
Polt schaute sich um, er war lange nicht mehr hier gewesen. Norbert Sailers Keller war recht groß. Der gerade, geräumige Mittelteil war so hoch und weit gewölbt, wie es der Löss zuließ. Davon zweigten im rechten Winkel weitere Kellerröhren ab. In einer davon, der ersten linker Hand, standen ein massiver Eichentisch und vier Stühle. Polt nahm Platz.
Bald daraufkam Norbert Sailer, brachte zwei Flaschen und zwei Gläser mit, öffnete, goss ein. »Ein Sauvignon Blanc, Simon. Mein Weinbaubetrieb ist klein, das macht es schwierig, ist aber auch reizvoll. Man darf halt nicht tun, was alle tun. Aber jetzt kosten wir erst einmal. Was sagt meine Nase dazu? Grüne Tomate, Paprikaschote, ein Hauch schwarze Ribisel.«
Polt schaute, roch, kostete. »Also, mir schmeckt er.«
»So soll es sein. Weißt du, mit meinen kleinen Mengen kann ich’s mir leisten, Nischen zu besetzen. Und dann noch die alte Baumpresse … Seit Jahren schon tüfteln sie an der neuesten Technik herum, und jetzt sag ich dir, was dabei herausgekommen ist: eine Maschine, die elektronisch gesteuert ganz sanft von oben auf die Maische drückt. Und genau das kann mein gutes altes Stück aus dem Jahr 1886 auch, womöglich sogar besser, weil menschliches Gespür im Spiel ist, das Gefühl für den richtigen Augenblick, die sensibel dosierte Kraft. So, austrinken, jetzt kommt noch mein Roter, ein Portugieser. Was sagst du zu der Farbe, Simon?«
»Nicht schlecht, erstaunlich sogar. Wie ist dir das gelungen?«
»Auf einer Riede am Hutberg oben hab ich zum Verschneiden ein Eck Rösler ausgepflanzt, eine Züchtung aus Wildreben und Zweigelt, sehr farbintensiv und auch sonst wie geschaffen für den Portugieser - verstärkt einfach alle guten Eigenschaften. Ganz abgesehen davon ist diese Rebsorte sogar teilresistent gegen Pilze. Gar nicht so unwichtig in einem Jahr wie dem vergangenen. Prost, Simon!«
»Lass dir Zeit mit dem Trinken, Norbert.«
»Würd ich ja gern, wenn ich Zeit hätte. Die Birgit wartet auf mich mit dem Abendessen und ich muss mir rasch die nötige Bettschwere holen, sonst bekomm ich den Ärger von heute nicht weg. Peinlich, so was, bei einem kontrollierten Menschen, wie ich einer bin, nicht wahr?«
»Ach wo. Jeder, wie er’s braucht. Kann ich dich trotzdem noch schnell was möglicherweise Ärgerliches fragen?«
, Aber ja. Daraufkommt es auch nicht mehr an.«
»Also, dein Weingarten-Nachbar, der Peter Rohringer die Frau Habesam hat mir erzählt.«
»Der Rohringer? Ein ganz spezieller Freund von mir. Früher hat er auf Massenträger gesetzt, hat den Wein gewässert, dass es nur so eine Freude war, das Aroma künstlich aufgebessert, was
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