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Polt.

Polt.

Titel: Polt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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hereinkommen. Der Weinbauer ging zielstrebig zur Schänk. »Meine Verehrung, Herr Polt! Wie geht’s denn immer und was macht Ihr neuer Freund, der Primi?«
    »Fragen S’ ihn halt.«
    »Danke, ich red nicht mit jedem.« Rohringer hob die Stimme. »Eine Runde, Herr Wirt, fürs ganze Lokal. Jeder trinkt, was er mag. Bin ich verstanden worden?«
    Polt sagte nichts und machte sich an die Arbeit. Als jeder sein Getränk bekommen hatte, hob Rohringer sein Glas. »Wenn ein alter Geizkragen wie ich einmal was springen lässt, hat das seinen Grund, Leute. Mein Wein ist verkauft, bis auf den letzten Tropfen. Ein guter Preis, wirklich. Wie gut, muss keiner wissen, der Herr Polt schon gar nicht.« Er trank. »Von wem ist der Veltliner?«
    »Vom Friedrich Kurzbacher.«
    »So, von dem. Sauberer Wein. Ordentlicher Weinbauer, ehrlich bis in die Knochen. Zu ehrlich für meinen Geschmack. Na, bei Gelegenheit geb ich ihm ein paar Tipps.« Er hob das Glas wieder. »Mein Gott, wie er da steht und zuhört, der Herr Polt.«
    »Was soll ich sonst tun?«
    »Ja, was soll er sonst tun. Ein Gendarm als Wirt! Das muss einem erst einmal einfallen.«
    »Ist schon gar nicht mehr wahr, der Gendarm.«
    »Einmal Gendarm, immer Gendarm. Und mit dem Herrn Sailer ist er ja auch ganz tief und innig befreundet, oder mehr noch mit seiner Frau. Ich seh den Herrn Polt ja immer in der Küche sitzen, wenn ihr Mann Dienst hat.«
    »Herr Rohringer!!«
    »Ich sag ja nichts. Ruhig, ganz ruhig, Herr Polt. Aber wisst ihr, Leute, warum der hier Wirt ist? Na? Hört alles, sieht alles, weiß alles. Und ab und zu schwärzt er dann einen an, mich zum Beispiel, muss ein Heidenspaß für ihn gewesen sein. Nicht wahr, Herr Polt? Ist es nicht so? Warum sagen S’ denn nichts? Ach so. Schweigen ist auch eine Antwort.« Er wandte sich der Gaststube zu. »Seien wir ehrlich: Keiner von uns ist ein Verbrecher, aber Menschen sind wir alle. Und grad ich, der ich kein Unschuldslamm bin, weiß Gott, hab Verständnis dafür, dass die Engel und die Heiligen nur im Himmel zu Haus sind, dort gehören s’ auch hin. Es ist doch so: Jeder von uns bleibt manchmal nicht ganz bei der Wahrheit, weil es ja gar nicht anders geht, jeder von uns trinkt einmal und steigt dann ins Auto, jeder ärgert sich einmal, sieht rot, und dann rutscht ihm halt die Hand aus, eh viel zu selten. Muss doch jeder schauen, wo er bleibt, sonst tanzen ihm die andern auf der Nase herum. Die Weiber müssen kapieren, wer der Herr im Haus ist, und die Jungen brauchen eine starke Hand, sonst kommen s’ auf die schiefe Bahn oder gehen gar zur Polizei. Ist verdammt schwer durchzukommen bei uns, da muss jeder sehen, wo er bleibt. Das Leben ist hart, aber gerecht, und irgendwie kommen wir schon miteinander aus und haben’s ganz lustig dabei, nicht wahr, Leute? Aber nicht alles geht die da oben was an. Eigentlich brauchen s’ das meiste nicht wissen, die Herren Uniformierten. Und dann steht im Kirchenwirt ein Gendarm hinter der Schänk. Haben S’ sauber mitgeschrieben, Herr Polt? Habedieehre!«
    Peter Rohringer nahm einen Geldschein, zerknüllte ihn, ließ ihn fallen, spuckte auf den Boden und ging.
    Eine Weile herrschte betretenes Schweigen in der Gaststube, dann wurde weitergeredet, allerdings merklich leiser. Simon Polt ärgerte sich nicht allzu sehr über Rohringers Auftritt und gestand ihm sogar zu, auch ein klein wenig recht zu haben - wie eben alle geschickten Schreihälse und Verführer. Er fragte sich aber, ob der Weinbauer womöglich mehr im Sinne hatte, als Polt zu provozieren. Vielleicht war Norbert Sailer wieder einmal dabei, seinem wenig geliebten Weingarten-Nachbarn Probleme zu bereiten.
    Gegen Mittag leerte sich das Wirtshaus so rasch wie immer am Sonntag. Nur der Gehringer Fritz, dessen Frau die Stirn gehabt hatte, die Sauferei und die damit verbundenen Wutausbrüche ihres Mannes mit einer Scheidungsklage zu beantworten, blieb noch sitzen. Der Wirt erwies sich aber als zunehmend ungesellig, und so stand irgendwann auch der letzte Gast auf, grüßte mürrisch und ging.
    Polt kochte Kaffee, setzte sich mit seiner Tasse an einen Fenstertisch und hörte der Stille zu. Viel Ruhe war ihm nicht gegönnt. Ein zufälliger Blick durchs Fenster ließ ihn Bastian Primi erkennen.
    »Herr Polt! Darf ich eintreten oder ist schon der Ruhetag ausgerufen?«
    Statt zu antworten, stand Polt auf, ging hinter die Schänk und machte eine unbestimmte Handbewegung, die, guten Willen vorausgesetzt, auch als einladend zu deuten war.

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