Polt.
»Gott, was ist mir schlecht… Was faselst du von der Birgit?«
»Weg ist sie, abgängig, seit heute Nacht.«
»Und bei mir war sie auch nicht. Zusammenräumen, Wasch holen und so weiter und so fort.« Er schlug sich auf den Mund. »Großes Geheimnis!«
»Ich weiß Bescheid, Rudi. Wasch dich, zieh dich an, wir müssen dringend reden und miteinander nachdenken.« Er griff in die Rocktasche. »Da hast Kopfwehpulver.«
Weinwurm seufzte, stierte vor sich hin und versuchte offenbar einen klaren Gedanken zu fassen. »Warum das alles? Reden wir gleich da.«
»Du gehörst hinaus, Rudi, das Hirn lüften. Wir machen einen Spaziergang.«
»Willst mich umbringen?«
»Langsam, Simon, ich spür jeden Schritt wie ein Messer im Kopf. Und die Kraft ist schon lang weg.«
»Jammern kannst nachher. Jetzt geht es um die Birgit. Hast sie gern?«
»Ich sie schon.«
»Und sie dich?«
Rudi grinste und deutete auf sein Hosentürl. »Nur den da.«
»Jetzt denk einmal nach. Weißt du, wo sie sein könnt?«
»Bei der Hahn, der alten Flitschen. Da braucht keine der anderen was vormachen.«
»Dort ist sie aber nicht.«
»Denk ich halt weiter nach. Lass mir Zeit, Simon. Weißt du, wie’s ausschaut in meinem Kopf? Maden! Fette, weiße Maden, langsam kriechen sie durcheinander, fressen das Hirn auf, die Mistviecher, die elendigen …«
Polt war unwillkürlich in jenen verlassenen Teil der Kellergasse eingebogen, wo er mit Birgit Sailer geredet hatte. Er ließ den Rudi erst einmal in Ruhe. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Weinwurm warf ihm einen gequälten Blick zu. »Wie lang denn noch?«
»Ein paar Minuten. Du hast mich in dein Presshaus eingeladen, heute bist du in meinem zu Gast. Kannst auch was zu trinken haben.«
»Um Gottes Willen.«
»Na, Rudi, was sagst du?«
»Dir räumt aber niemand zusammen.«
»Das Presshaus hat dem alten Ignaz Reiter gehört und ich hab’s seinen Erben abgekauft. War ein Sonderling und ein Sammler, der Ignaz. Und ich hab eine Riesenfreude mit dieser Rumpelkammer, oder sollt ich Schatzkammer sagen? Komm, Rudi, alter Kollege, setz dich her.« Polt griff nach den Zündhölzern. »Kerzenschein, ganz romantisch. Elektrisches Licht hab ich keins. Magst ein Mineralwasser?«
»Ja, bitte. Weißt was? Ich hab Angst um die Birgit. Du bringst sie uns wieder, Simon, versprochen?«
»Wer ist uns?«
»Der Norbert und ich. Er ist ihr Mann und ich häng an ihr. Und ich schwöre …« er hob theatralisch die Hand, »… ich rühre sie nicht mehr an, nie wieder!«
»Warum jetzt auf einmal?«
»Weil nichts Gutes dabei herauskommt, ganz und gar nichts Gutes. Hab ich immer gewusst. Und dann halt immer wieder vergessen.« Er warf Polt einen scheuen Blick zu. »Also dass ich mit dir noch einmal so zusammensitzen würde, fast wie in alten Zeiten…«
»Passt schon, nicht wahr? Sag einmal: Den Rene Geiger hast du natürlich gekannt.«
»Gekannt und gehasst, den feinen Herrn, wegen der Birgit, verstehst? War alles wieder da, als ich das Foto gesehen hab. Alles wieder da, alles… Wie er hineingekrochen ist in sie, wie ein Aal, ein schleimiger. Und jetzt ist er krepiert. Wunderbar! Herrlich! Wie Weihnachten!«
»Du, der Norbert hat mir erzählt, dass ihr zwei in der fraglichen Nacht, ich mein, als der Geiger im Weingarten zu Tode gekommen ist, in seinem Presshaus und im Keller bis zum Morgengrauen getrunken habt?«
Rudi Weinwurm grinste dünn und kratzte sich am Kopf. »Wir zwei, hat er gesagt, der Norbert? Jawohl, wir zwei, wie er gesagt hat, der Norbert. Das heißt, der Rohringer hat einmal vorbeigeschaut, frag mich nicht wann. Er ist auf den Norbert losgegangen, der Norbert hat sich nichts gefallen lassen, und dann wollt der Rohringer handgreiflich werden. Na, mehr hat der nicht gebraucht. Draußen war er mit einem Tritt in den Arsch. Getrunken haben wir, meinst du? Gesoffen haben wir. War immer so. Erst hat mir der Norbert erzählt, dass er nichts gegen mich hat, und ich hab ihm erzählt, dass ich ihm nichts wegnehmen will. Dann waren wir alle zwei ratlos und haben uns betäubt bis zur Besinnungslosigkeit, wir Deppen.« Plötzlich flatterten seine Augenlider. »Ist was, Rudi?«
»Ich kenn mich nicht mehr aus. Der Geiger tot, endlich tot… Mir erzählen ja immer wieder Leute von Sachen, die ich angestellt hab, und ich weiß nichts mehr davon …«
»Ganz ruhig, Rudi! Du warst ja mit dem Norbert zusammen, in der Zeit, als es geschehen ist.«
»Ja, war ich, waren wir, zu zweit waren wir. Aber weit weg
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