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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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Beweise gab es nicht dafür. In den Unterlagen fanden sich nur dürftige Hinweise und psychologische Testauswertungen, deren Ergebnisse ich nicht verstand. Au ßerdem fand ich Listen mit den Charakterschwächen der Einzelnen, die aber nirgendwo genauer analysiert wurden, fast so, als ob sich Tuckman nicht einmal die Mühe gemacht hätte, weiter zu forschen, nachdem er das gefunden hatte, was er suchte.
    Er wollte ein Drama inszenieren und lehnte nun die Ergebnisse ab. Auch Tuckman schien nicht vernünftiger oder stabiler zu sein als seine Versuchskaninchen. Der einzige Grund, warum ich ihn nicht ebenfalls auf die Liste meiner Verdächtigen setzte, war seine fehlende Verbindung zu Celia. Für Solis sah er wahrscheinlich nicht ganz so harmlos aus. Bestimmt hatte der Kommissar bereits die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Mark den Professor erpresst hatte oder seine zweifelhaften Methoden entlarven wollte.

    Als ich nach einer Weile erschöpft auf den Stapel Akten starrte, der vor mir lag, rief mich Ben an.
    »Hallo, Harper. Tut mir leid, dass ich erst jetzt anrufe, aber hier geht es in letzter Zeit drunter und drüber.«
    »Ist schon in Ordnung. Ich wollte dir nur noch ein paar Fragen über Tuckman stellen. Eine seiner früheren Assistentinnen hat mir erzählt, dass er aus der UW hinauskomplimentiert wurde, um ihn nicht offen zu feuern. Klingt das in deinen Ohren plausibel?«
    »Ja, durchaus.«
    »Und welchen Grund hätte die UW dafür gehabt?«
    »Hat die Assistentin das nicht erzählt?«
    »Doch, aber sie ist so sauer auf Tuckman, dass mich interessieren würde, was du davon hältst.«
    Er schnalzte mit der Zunge. »Ich habe dir ja schon gesagt, dass ich Tuck für einen ziemlichen Idioten halte – oder nicht? Ich bin also auch nicht gerade neutral. Als ich mit ihm zusammengearbeitet habe, hatte ich den Eindruck, dass er am Institut falsche Angaben machte und dadurch einen finanziellen Gewinn einsteckte. Es waren nur kleine Dinge. Er hat es irgendwie immer geschafft, Sachen umsonst oder besonders billig zu bekommen. Aber im offiziellen Bericht behauptete er dann, dafür gezahlt zu haben. Obwohl wir das gleiche Gehalt bekamen, stand er finanziell immer besser da, und zwar ohne Familienzuschuss.«
    »Verstehe. Und wie sah es mit den Projekten aus? Könnten sie vielleicht der Grund gewesen sein, ihn loszuwerden, selbst wenn er erfolgreich war?«
    Ben schnalzte erneut mit der Zunge. »Oh. Davon hast du also auch schon gehört. Hm … Schon möglich. Tuckman hatte bekanntermaßen die schlechte Angewohnheit, bei seinen Experimenten die Teilnehmer bis an ihre Grenzen
zu treiben. Er beobachtet nicht einfach nur, er manipuliert. Vor einigen Jahren musste einer aus seiner Gruppe sogar ins Krankenhaus, da er von einem anderen angegriffen wurde. Trotzdem hat Tuckman mit seinen Studien über stressbedingte Verhaltensweisen weitergemacht. Es wurde teilweise ziemlich heftig.«
    »Glaubst du, dass er sich auch bei diesem Experiment dafür interessiert? In der Gruppe herrschen viele Spannungen und Probleme wegen der Machtverhältnisse.«
    Ich hörte, wie er mit Papieren raschelte. »Du hast das das letzte Mal schon erwähnt. Bis dahin wäre ich nicht auf die Idee gekommen. Aber da ich es jetzt weiß, könnte ich es mir durchaus vorstellen. Wie gesagt – beim Philip-Experiment kamen auch mehr Erscheinungen zustande, wenn es innerhalb der Gruppe Stress gab. Ich habe mich gefragt, wieso Tuckman daran interessiert sein könnte, und mich erkundigt. Meiner Meinung nach ist Tuckmans wahrer Grund für diese Séancen die Untersuchung von Stressreaktionen und wie die Teilnehmer ihr eigenes Verhalten oder die Erscheinungen begründen und rechtfertigen. Wenn er seinem üblichen Themengebiet folgt, könnte es durchaus sein, dass die Gruppe alle schlechten Verhaltensweisen auf den Poltergeist abwälzt und ihm in die Schuhe schiebt.«
    »Welche schlechten Verhaltensweisen?«
    Er atmete hörbar aus und antwortete nur zögerlich. »Na ja … Im Grunde beinahe alles. Wutanfälle, Angriffe, Übergriffe, Diebstahl … Wenn zum Beispiel besonders starke psychokinetische Erscheinungen zustande kommen, könnte man immer den Poltergeist dafür verantwortlich machen. Dann ist es ganz einfach er, der etwas weggenommen, jemanden verletzt oder etwas kaputt gemacht hat. So wäre nur er daran schuld. Es ist ein kollektives Phänomen, aber
die Gruppe würde sich schon bald innerlich davon trennen. Sie würden diese Verhaltensweisen als von sich separat

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