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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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laute Stimmen und strahlten eine ansteckende Gelassenheit aus.
    Als Oberhaupt der Familie hatte Phoebes Vater wie immer seinen Platz am Kopf des Tisches eingenommen, der im hinteren Raum stand. Mit einer von Arthritis geschundenen Hand hielt er ein Glas Leitungswasser fest, das er allerdings vor allem benutzte, um damit auf den Tisch zu klopfen. Poppy war wettergegerbt und ziemlich verhutzelt. Er erinnerte an eine Walnuss, die man lange in der Hand gehalten hatte. Noch immer stellte es für ihn kein Problem dar, die ganze Familie fest im Griff zu haben, ohne viel mehr als sein Glas und seine Stimme zu erheben. Der Clan eilte um den Tisch herum, stürzte in die Küche und wieder hinaus. Sie wirkten alle wie eifrige Fledermäuse, die es schafften, alles zu erledigen, was Poppy ihnen befahl, ohne einander in die Quere zu kommen. Als er mich entdeckte, winkte er mich zu sich heran.
    »Harper! Komm sofort zu mir, Mädchen. Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Ich hatte schon befürchtet, dass du so dürr geworden bist, dass dich der Wind weggeblasen hat.« Sein Akzent war noch immer so stark, als wäre er gerade eben erst aus Jamaika gekommen. In Wahrheit lebte er bereits seit über dreißig Jahren hier.
    Ich drückte mich an den zahlreichen Familienmitgliedern vorbei und setzte mich neben ihn. Die Küchenwand befand sich direkt hinter mir und fühlte sich herrlich warm an, vor allem, da es draußen inzwischen recht kühl geworden war. »Nein, Poppy. So schnell wirst du mich nicht los.«
    Er löste seinen Zeigefinger vom Glas und piekste mich damit testend in die Schulter. »Lange wird es aber nicht mehr dauern. Vermutlich wissen die dummen weißen Jungs,
mit denen du ausgehst, nicht, was schön ist. Es ist wirklich schade, mit ansehen zu müssen, wie ein nettes Mädchen so dahinsiecht.«
    Ich zog eine Grimasse. »Na ja, ich muss mich eben damit abfinden. Hugh scheint zumindest Gefallen an mir zu finden.«
    Sein ganzer Körper zitterte, als er sich vor Lachen schüttelte. Für einen kleinen Mann Mitte siebzig konnte er ziemlich laut sein. Nach einer Minute beruhigte er sich wieder und rieb sich kichernd mit dem Handrücken die Augen.
    »Mädchen, ich wusste, dass du es in dir hast.«
    »Was habe ich in mir?«, fragte ich.
    »Du kannst auftauen, wenn du willst.«
    Ich sah ihn verblüfft an. »Wie bitte?«
    »Harper – seitdem du im Krankenhaus warst, bist du so hart und eisig wie ein Stück Stahl in der Gefriertruhe gewesen. Es überrascht mich, dass du überhaupt einen Mann gefunden hast. Du hast eisige Wände um dich herum aufgebaut, als ob du erwarten würdest, dass dich wieder jemand verletzt. Aber wenn du niemanden an dich heranlässt, dann kann dich auch niemand lieben. Zu uns bist du auch nicht mehr gekommen. Brauchst du denn deine Familie nicht? Du weißt doch, dass du zur Familie gehörst, selbst wenn du so dürr bist wie eine Bohnenstange.«
    Ich sah den alten Mann mit seinen scharfen schwarzen Augen für eine Weile fassungslos an.
    Zögerlich fragte ich: »Du … Du kannst eine Art von Wand um mich sehen?« Falls ich tatsächlich so etwas errichtet hatte, dann musste ich einen guten Grund haben, die Welt auf Distanz zu halten. Dasselbe galt natürlich für Ken – sogar harte Jungs halten nicht alles aus.
    Poppy lachte und stupste mich wieder mit dem Finger
an. »Das war nicht wörtlich gemeint, Kleine! Aber mentale Wände können genauso undurchdringlich und kalt sein wie echte. Warum siehst du auf einmal so traurig aus?«
    Mich hatte tatsächlich plötzlich eine Erinnerung an früher übermannt. »Mein Dad hat mich immer ›Kleine‹ genannt.«
    »Entschuldige, Harper. Ich wollte mich nicht zwischen dich und ihn stellen. Wie lange ist er schon tot?«
    »Schon lange. Ich war zwölf, als er starb. Jetzt gibt es nur noch mich und Mom, und wir verstehen uns nicht.«
    »Ja, ich weiß. Also … Warum schaust du nicht wieder öfter vorbei? Sind wir dir zu anhänglich?« Er lehnte sich zurück und zwinkerte. »Oder vielleicht schmeckt dir Mirandas Essen nicht mehr?«
    Ich lachte und war gleichzeitig erleichtert, dass wir nicht weiter über mich und meine schreckliche Familie sprachen – selbst wenn das bedeutete, dass ich mich mit meiner Ersatzfamilie auseinandersetzen musste. »Ich liebe das Essen deiner Frau und wäre sicher in null Komma nichts zweimal so dick, wie du das willst, wenn ich es so oft essen würde, wie ich wollte. Und dreimal so dick, wenn ich es so oft essen würde, wie du das möchtest. Seitdem ich

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