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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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für die chemische Reinigung. Hoffentlich war die Leiche sauber und tatsächlich tot. Auf eine Jagd durch schmutzige Hintergassen hatte ich an diesem Tag überhaupt keine Lust. So wie ich mich und mein Glück kannte, würde ich mich allerdings gerade heute besonders schmutzig machen. Auch egal – zumindest sah ich dann gut aus.
    Chaos gähnte mir entgegen und reckte sich ausführlich, als ich auf dem Weg nach draußen sicherstellte, dass sein Käfig diesmal auch wirklich verriegelt war. Er protestierte nicht einmal, weil ich ihn nicht herausholte. Wahrscheinlich war er noch immer mit sich und seinem Erfolg aus der Nacht zuvor zufrieden.
    Auf der West-Seattle-Bridge gab es kaum Verkehr. Die Sonne war noch nicht weit genug aufgegangen, um die Wolkendecke zu durchbrechen und mich auf meiner Fahrt nach Osten zu blenden.
    Das Harborview Medical Center lag am Rand von First Hill, das die Bewohner deshalb nur noch Pill Hill nannten. Wie ein gewaltiger Geier aus Stein thronte das Gebäude über dem Freeway und schien nur darauf zu warten, dass wieder ein Toter eingeliefert wurde. Im Keller des Centers befand sich nämlich das städtische Leichenschauhaus. Ich parkte auf der Seite der Krankenhausverwaltung, um das stets geschäftige Institut für Trauma-Opfer zu vermeiden, und machte mich auf den Weg nach unten. Dort lief ich durch die düsteren grauen Nebelschwaden, die sich hier seit siebzig Jahren angesammelt hatten.

    Mit gesenktem Kopf watete ich durch Erinnerungen an Krankheit und Genesung, an Geburt und Tod. Gespenstische Unfallopfer säumten die Gänge oder lagen auf düsteren Bahren. Der Geruch nach Krankheit und das Schreien Neugeborener drangen von allen Seiten durch das Grau hindurch auf mich ein.
    Ohne nachzudenken, wich ich automatisch den Schattengestalten lange verschwundener Krankenschwestern aus, die an mir vorbeieilten. Im Lift war es geradezu erleichternd langweilig, selbst wenn sich auch dort noch ein paar Nebelgestalten aufhielten. Als sich jedoch die Türen öffneten, fand ich mich inmitten eines Gewimmels von grauen Kreaturen.
    Das Leichenschauhaus hatte schon immer im Keller gelegen, sodass sich hier das Grau und seine Toten zu ballen schienen. Ich war früher bereits öfter hierher gekommen, um nach vermissten Personen zu suchen oder irgendwelche Versicherungsfälle zu lösen. Doch noch nie zuvor hatte ich all das sehen können, was man sich sonst nur ausmalte, wenn man an ein Leichenschauhaus dachte – all die Geister, die einen solchen Ort nie verließen.
    Es gab Unmengen von ihnen. Die meisten bemerkten mich nicht, aber einige hatten sich um die Lifttür versammelt und sahen mir entgegen, als ich ausstieg. Zwei oder drei blickten mich sogar so an, als ob sie etwas von mir erwarteten oder auch erhofften.
    »Ich habe jetzt keine Zeit«, murmelte ich. »Lasst mich in Ruhe.«
    Daraufhin wichen sie zurück, sodass ich ungehindert aussteigen konnte. Etwas flüsterte mir zu: »Wir kennen den Weg nicht.«
    Ich wusste nicht, was damit gemeint war. Wahrscheinlich
würde ich es noch bedauern, aber dennoch sagte ich: »Ihr könnt mir folgen, wenn ich wieder gehe. Aber draußen seid ihr auf euch gestellt.« Die Geister traten beiseite und bildeten eine Art Gang, damit ich passieren konnte. Trotzdem musste ich einige von ihnen durchqueren, um zur Eingangspforte zu gelangen.
    Jede Phantomgestalt, die ich berührte, fühlte sich eisig an, als sie durch mich hindurchglitt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, und ich war auf einmal froh, den Kaschmirpulli zu tragen.
    Ich kannte die schläfrige Angestellte an der Pforte zwar nicht, aber ihr Typ war mir vertraut – eine Studentin, die spätnachts einem nicht sehr anstrengenden Nebenjob nachgeht, um auf diese Weise Geld zu verdienen und gleichzeitig für die Uni arbeiten zu können. Da Harborview von der University of Washington verwaltet wurde und auch als Lehranstalt diente, konnte es allerdings auch gut sein, dass es sich bei ihr um eine Medizinstudentin handelte, die hier ein Praktikum absolvierte.
    Sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihr Buch zuzuklappen, als sie zu mir aufblickte. Ein wenig schien sie meine schicke Erscheinung allerdings zu überraschen.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Das hoffe ich.« Ich zeigte ihr meine Detektivlizenz. »Ich suche nach einem Vermissten und hätte gerne gewusst, ob Sie eine männliche Leiche hereinbekommen haben, die noch nicht identifiziert werden konnte und auf die die folgende Beschreibung passt.« Ich

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