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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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mehr dieselben wie bei meinem letzten Besuch. Sie wirkten alle so geklont, als ob sie dem Film »Die Frauen von Stepford« entsprungen wären. Anscheinend hielt es Carlos für das Beste, in einem Geschäft, an das man sich ungern erinnerte, Leute zu beschäftigen, deren Gesichter man sofort wieder vergessen würde. Ein junger Typ, der ein T-Shirt mit der Aufschrift ›Ich war nicht hier, und du kannst es nicht beweisen‹ trug, erklärte mir, dass Carlos gerade nicht anwesend sei. Er sei in letzter Zeit überhaupt selten da gewesen. Vermutlich hatten sich seine neuen Angestellten als zuverlässiger erwiesen als die letzten.
    Nachdem ich eine Weile mit ihm diskutiert und ihm meine Visitenkarte gegeben hatte, gab der T-Shirt-Mann schließlich nach und rief Carlos an. Er zog verblüfft die Augenbrauen nach oben, während er lauschte, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde. Schließlich legte er auf und musterte mich neugierig.
    »Er meint, dass er Sie bei Green Lake an der südlichen Seite des Gemeindezentrums treffen würde. Angeblich könnte er riechen, wenn Sie eintreffen.«

    Für einen Moment lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Carlos jagte mir mehr Angst ein als die meisten seiner Artgenossen – wenn auch nicht alle. Er war nicht nur ein aktiver Blutsauger, sondern auch ein Totenbeschwörer. Ohne Probleme konnte er Geister und die Teile aus dem Grau, die an mir hingen, sehen, berühren und schmecken. Er war mit dem Tod eng verbunden. Ich hatte ihn einmal beinahe für immer unter die Erde gebracht und wusste nicht, ob er mir das nachtrug oder nicht. Vermutlich würde ich es irgendwann einmal herausfinden.
    Ich fuhr also nach Norden zu dem kleinen Park um Green Lake. Im Aurora-Viertel zeigten sich noch die letzten Anzeichen des abendlichen Staus.
    Als ich Carlos das letzte Mal gesehen hatte, war er ziemlich angeschlagen gewesen. Seine Haut war verbrannt und hatte sich über verkohlte Knochen gezogen, die er unter zerfetzten, stinkenden Klamotten verbarg. Ich wusste nicht, was ich diesmal von ihm erwarten sollte. Wie würde er aussehen? Wie würde er sich verhalten?
    Zum Glück waren Leute auf der Straße. Jogger mit Stirnlampen und reflektierender Kleidung liefen auf dem Weg, der um den See führte, an mir vorbei, während die Bewohner des Viertels die Restaurants und Bars auf der anderen Straßenseite besuchten. Ich hoffte, dass ich nichts zu befürchten hatte. Aber selbst in einer geschäftigen Umgebung voller Menschen war ich nicht wirklich in Sicherheit, falls sich Carlos entschließen sollte, mich doch zu töten.
    Ich spürte ihn, bevor ich ihn sah. Mein Magen verkrampfte sich, und ich hatte das Gefühl, mit einer Achterbahn in die Tiefe zu stürzen, während sich eine eisige Hand auf meinen Rücken zu legen schien. Die Lichter in den Fenstern des Gemeindezentrums zeigten mir seine Silhouette, auch
wenn es ihnen nicht gelang, die dunkle Masse blutenden Graus, zu durchdringen, die ihn umgab. Ich sah, wie seine Augen funkelten, als er mich beobachtete. Er rührte sich nicht von der Stelle, sondern ließ mich fast bis ans Wasser herankommen.
    Aus der Nähe konnte ich sehen, dass seine Haut ein Muster aus Narben aufwies, die wie züngelnde Flammen aussahen. Er hatte inzwischen wieder seine beängstigende Grö ße und Breite zurückgewonnen, auch wenn sein schwarzer Bart und seine Haare dünner geworden waren. Er wirkte steifer als früher, obwohl er weiterhin die Haltung eines Tigers auf der Jagd hatte. Seine Augen waren noch immer schwarz wie die Nacht und brannten sich mir wie Höllenfeuer in die Seele. Sie sahen noch furchterregender aus als die Narben.
    Er nickte zur Begrüßung, ehe ich etwas sagen konnte. »Blaine, gehen wir ein Stück«, meinte er und wies mit dem Kopf Richtung See. »Ich vermute, dass unser Geschäft die Kreaturen des Tageslichts nichts angeht.«
    Offensichtlich zählte mich Carlos nicht mehr zu denen, die im Tageslicht lebten. Ich wusste zwar, dass ich mich etwas außerhalb der Normalität befand, aber ich gehörte sicher nicht zu seinen Leuten. Noch löste er nicht die schreckliche Übelkeit in mir aus, die ich empfand, wenn er wütend wurde. Doch Carlos war ziemlich launisch, und seine Stimmung konnte sich rasend schnell ändern, weshalb ich ihm nur ungern folgte.
    Wir begannen also, den Weg um den See entlang zu laufen.
    »Also – was willst du von mir?«
    »Letzte Woche ist ein junger Mann umgebracht worden«, begann ich. Er warf mir einen kurzen Seitenblick zu.

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