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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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während eines Kommandounternehmens. Soweit Wes das erkennen konnte, lächelte der Außerirdische ironisch. Er war der Einzige, der Wes möglicherweise helfen konnte, wenn im Maschinenraum 1 etwas schief ging.
    Früher hatte Wes den Film 2001 – Odyssee im Weltraum immer sehr gemocht. In der Tat war dieser Film ein entscheidender Anstoß gewesen, sich mit Computern zu beschäftigen. Nach anderthalb Jahren auf der Festung hasste er den Film, Kubrick und alles, was ihn nur entfernt daran erinnerte. Vor allem hasste er die Szene, in der Dave Bowman HAL 9000 abschaltet, weil er genau wusste, wie sich Dave Bowman dabei fühlte. Es war heiß. Es war eng. Er durfte keine Fehler machen, Wes schob sich vorsichtig an den Serverracks vorbei und achtete peinlich genau darauf, dass er nichts berührte, was nicht zu seiner aktuellen Aufgabe gehörte. Die Vorschriften in dieser Hinsicht waren sehr strikt.
    6, 7, 8, 9: voil à . Serverrack 9. Das zweite Mal in dieser Woche. Die Festplatten des RAID-Systems waren »hot-swappable«, das hieß, sie konnten einzeln oder zu mehreren aus dem Gerät herausgezogen werden, ohne dass es abgeschaltet werden musste. Das war gut so, denn sonst hätte womöglich das ganze Serverrack abgeschaltet werden müssen, und dafür hatten die Kunden nicht bezahlt.
    Das Statuslicht neben dem dritten Einbauschacht von oben leuchtete rot: Das war die defekte Platte. Er hörte sich in der Maske atmen, das mochte er überhaupt nicht. »Alles klar, Wes?«, fragte Masters von draußen, und er antwortete: »Alles klar, Masters, ich hab sie.« Er zog sie an ihrem Handgriff heraus und untersuchte sie. Von außen war rein gar nichts zu erkennen. Die Platte wirkte wie neu. Er fragte sich, was im Serverrack 9 eigentlich vor sich ging, dass hier so viele Platten verschlissen wurden. Das war eine dumme Frage, denn es ging ihn nichts an. Es ging nicht einmal seine Firma was an. Die Kunden bezahlten nämlich außer für Ausfallsicherheit und Hochverfügbarkeit auch noch für DISKRETION. Juristisch gesehen gehörten die Server und die ganze Computerausrüstung nicht der Firma, sondern den Kunden. Die Firma wartete nur die Geräte und die Kunden konnten mit ihnen machen, was sie wollten, vorausgesetzt, sie bezahlten den Preis für die Wartung und die entsprechenden Internet-Verbindungen.
    Wenn jemand ein Online-Casino aus einem Land heraus betreiben wollte, in dem jede Form von Glücksspiel illegal war: bitte schön. Hardcore-Pornografie für iranische Auftraggeber: kein Problem. Diskrete Transaktionen für die Kunden von Schweizer Banken, deren Nummernkonten in der Schweiz vor staatlicher Neugier nicht sicher waren: alles möglich. Es gab ein paar Ausnahmen, wie Kinderpornografie und gewerblicher Internet-Spam, aber davon abgesehen war alles erlaubt. Die Firma ging es einfach nichts an, was ihre Kunden mit ihren Geräten auf der Festung machten, und Wes ging es dreimal nichts an.
    Wes steckte die kaputte Festplatte in einen speziellen Behälter, den er mitgebracht hatte. Gleich nachher, wenn er aus der Gasschleuse heraustrat, würde er diesen Behälter Masters übergeben. Masters würde ihn mit nach oben nehmen und unter Aufsicht der Kollegen vom Sicherheitsdienst die Festplatte so zerstören, dass ihr Inhalt selbst mit den modernsten Technologien nicht mehr rekonstruierbar war.
    Eine neue Festplatte hatte Wes mitgebracht, und als er sie vorsichtig in den leeren Schacht hineinschob, hoffte er sehr, das rote Licht würde auf Grün springen. Wenn es das nicht tat, durfte er das ganze System prüfen, und das konnte Stunden dauern. Das Licht sprang auf Grün, und er atmete durch. »Masters«, sagte er, »alles in Butter. Ich komm jetzt raus.«
     

Dänisches Intermezzo
    Das Wasser kitzelte Kramers Zehen, und mit jeder Welle, die den Sand unter seinen Sohlen herausspülte, sank er ein wenig tiefer in den Schlick ein. Er fand das passend, denn ihm war nach Einsinken zumute. Er schaute übers Wasser, in Richtung Deutschland, und fühlte sich schlecht. Und das, obwohl der Sommer in Dänemark früh gekommen war, zu früh für die durchschnittlichen Urlauber aus Deutschland, so dass die Strände leer waren. Kramer fühlte sich schlecht, obwohl ihm eine attraktive Mittdreißigerin heute Morgen ziemlich deutlich schöne Augen gemacht hatte. Er fühlte sich schlecht, obwohl er sich hätte zurücklehnen können. Er hatte den Abusch-Fall versaut. In nur fünf Tagen. Absoluter Rekord. Und das Schlimmste war: Ihm war nicht klar, warum.

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