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PolyPlay

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Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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unter der geöffneten Verschlusslasche auf: »Sicherheitsverschluss (nur einmal zu öffnen!)« Na denn, dachte Kramer. Einmal öffnen reicht wahrscheinlich.
    Auf den ersten Blick schien das Ding leer zu sein. Aber als er ein wenig schüttelte, rutschte ihm eine flache, trapezförmige Platte in die Hand. Kramer hätte gar nicht gewusst, was das war, wäre ihm bei der Recherche zu dem seltsamen Rechner auf Michael Abuschs Schreibtisch nicht eine neue Speichertechnologie aufgefallen, die gerade Furore machte: FFS hieß das Ganze, oder »Fraktaler Festspeicher«. Es handelte sich dabei um ein DDR-Eigengewächs (»Revolutionäres Produkt sozialistischer Spitzentechnologie!«) und wurde bisher nicht einmal ins Ausland verkauft. Brandneu. Kramer hatte sich keine Mühe gegeben, das Konzept zu verstehen, dieser Technikkram war ohnehin nicht sein Bier. Aber das hier war eine FFS-Platte, das konnte er klar erkennen. So sahen die Dinger aus.
    Was soll ich jetzt damit anfangen?, dachte Kramer und drehte die Platte um. Er erschrak, als hätte ihn jemand ohne Vorwarnung geschlagen: Auf der Rückseite der FFS-Platte waren dieselben drei klingenförmigen Keile eingeprägt, die er schon bei seinem Fundstück von der Späthbrücke kennen gelernt hatte. Ah, dachte er sarkastisch, noch so ein Gestaltungsmuster. Das Ding fühlte sich unangenehm an, leicht speckig, wie ein Material, das man nicht mehr sauber bekam, wenn es einmal mit menschlicher Haut in Berührung gekommen war. Es wurde in seinen Händen schnell warm. Metall? Plastik? Keramik? Ein Gemisch aus alldem? Wer wusste das schon. Jedenfalls ein Spitzenprodukt.
    Vor seinem Fenster flatterte kurz ein Vogel herum, der auf dem schmalen Sims landen wollte. Dann überlegte er es sich anders und flog wieder davon. Kramer legte die FFS-Platte auf seinen Schreibtisch und stand kurz auf, um aus dem Fenster zu schauen. Goldenes Licht lag über den Gebäuden der Umgebung, ein warmer Tag ging in einen angenehm milden Vorsommer-Abend über. Eigentlich sollte ich spazieren gehen und diesen ganzen Kram sein lassen, dachte Kramer. Aber er wusste genau, dass er das nicht konnte.
    Er schlenderte zum Schreibtisch zurück und nahm die Speicherplatte wieder in die Hand. Kann mein Rechner dieses Spitzenprodukt überhaupt lesen?, fragte sich Kramer. Als er die Vorderseite seiner R-610 genauer betrachtete, entdeckte er einen Laufwerksschlitz, der ihm vorher nie aufgefallen war. Er wollte das »Geschenk« gerade hineinstecken, da hielt er inne. Vielleicht war ein wenig Vorsicht angebracht. Wenn Sebastian Verner ihn nur mit einem Virus foppen wollte oder die FFS-Platte irgendeinen anderen Unfug anstellte, musste sein Rechner doch nicht dafür herhalten! Aber wo sonst konnte er wohl mit dem »Geschenk« experimentieren? Der Rechner daheim hatte kein FFS-Laufwerk, das war gewiss. Außerdem gehörte er offiziell der Wismut: »Finger weg«, Anettes Worte. Als ihm eine Lösung für sein Problem einfiel, kam er sich vor wie ein Schuljunge, der gerade beschlossen hatte, seine ersten Bonbons zu klauen.
    Auf dem Gang begegnete ihm niemand. Die Inspektion lag still und verlassen. Wie so oft der Letzte, dachte Kramer, als plötzlich ein Kollege um die Ecke bog und grinsend auf ihn zulief.
    »Kramer!«, sagte der Mann und gab ihm die Hand. »Lange nicht gesehen. Immer noch fleißig?«
    »Toilette«, war das Einzige, was Kramer einfiel. »Muss zur Toilette. Bei uns ist mal wieder verstopft.«
    »Immer derselbe Scheiß«, sagte der grinsende Kollege, dessen Namen Kramer ums Verrecken nicht einfallen wollte.
    »Im wahrsten Sinne des Wortes«, sagte Kramer und grüßte zum Abschied.
    Auf der Treppe nach unten lauschte er angespannt und sein Herz klopfte wild. Die Ausrede mit der Toilette war nicht schlecht gewesen, aber wenn er auf einem anderen Stockwerk erwischt wurde, musste er sich was Besseres einfallen lassen.
    Er hatte Glück. Die Tür zu Merzens Büro war immer noch unverschlossen. Kramer schlüpfte schnell hinein und schloss die Tür so leise wie möglich. Ein schneller Rundblick bestätigte ihm, dass seit Merzens Tod nichts verändert worden war. Seine Rechner (insgesamt drei) standen noch da. Ein Haufen CDs und andere Datenträger lagen ungeordnet auf dem kleineren der beiden Schreibtische herum. Beim Anblick des ausgetrockneten Füllers, der seltsam dicht am Rand des ansonsten leeren Hauptschreibtischs lag, überlief Kramer ein Schauer. Noch genauer wollte er sich lieber nicht umschauen, sonst fand er

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