PolyPlay
machst du? Du ermittelst auf eigene Faust weiter! Du benutzt dazu behördeneigene Ressourcen und begehst auch noch Verschleierungshandlungen! Du gibst dich bei diesen illegalen Ermittlungen als einer deiner Kollegen aus! Und seitdem du deine Frau verlassen hast, tust du eigentlich gar nichts mehr. Das reicht für drei Entlassungen.«
»Ich habe niemandem etwas getan«, sagte Kramer. »Ich wollte einen Mord aufklären. Wenn hier jemand was verschleiert, dann sind das du, die Stasi und all die anderen Arschlöcher, die mich an meiner Arbeit gehindert haben. Und meine Frau geht dich einen Scheißdreck an, Lobedanz.«
Das tat so gut. Einmal nicht herumlavieren, sondern ungeschminkt die Wahrheit sagen. Lobedanz wurde rot vor Wut.
»Also gut. Dann auf die Offizielle. Oberleutnant Kramer, ich enthebe Sie hiermit Ihres Amtes. Leiter der MUK der Polizeiinspektion Friedrichshain ist ab sofort Leutnant Pasulke. Sie haben seinen Anweisungen Folge zu leisten. In Vorwegnahme eines offiziellen Disziplinarverfahrens fordere ich von Ihnen die Übergabe Ihres Dienstausweises und Ihrer Dienstwaffe.«
Kramer ging zu seiner Jacke, die an der kleinen Garderobe hing, zog seinen Dienstausweis heraus und gab ihn Lobedanz.
»Pasulke also?«, fragte er. »Logisch. Der hat dir wahrscheinlich auch gesteckt, dass ich hier nur noch herumsitze. Und jetzt wird er Kommissionsleiter. Passt. Akkermann, Pasulke und du. Alles derselbe Schweinestall.«
Er öffnete die oberste Schublade in seinem Schreibtisch und nahm seine Pistole heraus. Er packte sie am Kolben und reichte sie Lobedanz, als würde er auf ihn zielen. Sein Zeigefinger lag am Abzug. Lobedanz erbleichte. Erstaunliche Farbwechsel innerhalb kürzester Zeit, dachte Kramer. Das Gesicht ist wie der ganze Mann.
»Na, was is?«, fragte er grinsend. Das Spiel begann ihm Spaß zu machen.
»Oberleutnant Kramer …«
»Bin kein Oberleutnant mehr. Aber heute bin ich Schütze Arsch. Deine Worte. Willste jetz die Knarre, oder was?«
Zögernd griff Lobedanz nach der Waffe und zog sie vorsichtig aus Kramers Hand, die sie bereitwillig freigab. Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
»Du bist verrückt, Rüdiger. Eigentlich wollte ich dir den Rest des Tages Zeit geben, dein Büro zu räumen, aber du lässt mir keine andere Wahl: In einer Stunde bist du draußen oder wir bringen dich raus. Mach's nicht schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Und weg war er.
Kramer setzte sich seufzend hin. Er legte seinen Kopf auf den Schreibtisch. Eine Stunde, dachte er. Jetzt habe ich in einer Woche meine Frau verloren, meine Wohnung, meinen Fall, meine ganze Arbeit und meinen besten Freund. Na prima.
Weil er glaubte, er habe nichts mehr zu verlieren, wollte er die letzte Stunde in der Polizeiinspektion Friedrichshain auf die einzig richtige Art verbringen: Er spielte Polyplay.
Zur Strecke gebracht
Sie hatten sich gar keine große Mühe gegeben, es zu vertuschen. Zwar waren die Daten auf der Festplatte oberflächlich richtig angeordnet, aber Wes erkannte schon beim Hochfahren des Rechners, dass irgendetwas anders war. Die Platte reagierte träger; der Bootvorgang war definitiv nicht optimiert worden. Als er mit seinen Administrationstools die Werte der Platte abfragte, hatte sie eine andere Seriennummer als seine alte, die Partitionierungen waren leicht anders und manche der tiefer versteckten Dateien waren weg. Es gab keinen Zweifel: Sie hatten ihm die Originalplatte ausgebaut und eine andere installiert, die auf den ersten und zweiten Blick alles enthielt, was die alte enthalten hatte, sich aber auf den dritten und vierten als ein Kuckucksei entpuppte. Der Hubschrauber, dachte er. Von wegen eingebildet.
Er wusste, an die Backuptapes brauchte er gar nicht zu denken: Die würden genauso manipuliert worden sein. Wenn man es nüchtern betrachtete, hatten sie sich eine Menge Arbeit mit ihm gemacht: ein Hubschrauberflug hin und zurück, manipulierte Festplatten, da kam schon was zusammen. Aber warum hatten sie es dann nicht perfekt gemacht? So wie es aussah, wollten sie, dass er den Schwindel bemerkte. Das konnte im Grunde nur heißen, dass sie sich aus seinen Reaktionen auf die Entdeckung weitere Erkenntnisse erhofften. Was wiederum bedeutete, dass sie nicht alles wussten oder wenigstens mit der Möglichkeit rechneten, nicht alles herausfinden zu können. Oder all das heißt, dachte Wes pessimistisch, dass sie sich mit mir ein kleines Spielchen erlauben. Laborratten unter Stress. Mal kucken, was der Kerl
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