Pommes rot-weiß
beiden gebadet hatten, nachdem sie nicht nur ihre Kleidung, sondern auch ihre Alltagskörper abgelegt und sich in ihre eigenen Wunschbilder verwandelt hatten. Keine Falten mehr, keine blassen Wangen, keine Strähnen, die in ein abgehetztes Gesicht hingen.
Kim Martens Outfit verriet auf den ersten Blick, dass sie nichts dem Zufall überließ. Ihr blondes, perfekt frisiertes Haar kontrastierte hervorragend mit einem leicht gebräunten Teint, der wiederum genau abgestimmt war auf den brombeerfarbenen Lippenstift. Kim entsprach in allem den gängigen Modelstandards. Die Maße ihrer Taille, der Brustumfang, die durchschnittliche Wimpernanzahl – mit Sicherheit stimmte alles millimetergenau. Aber genau deshalb war sie nicht Aufsehen erregend. Perfekten Frauen begegnete man täglich hundertfach im Kiosk an der Ecke, in jedem Fernsehkanal, in jeder erdenklichen Werbung.
Der ältere Herr, der eben noch müde den Kopf aus ihrem Schlafzimmer gesteckt hatte, existierte nicht mehr.
Stattdessen machte ich die Bekanntschaft Heinos, Kims Lebensgefährten.
Hätte ich nicht inzwischen gewusst, dass Heino Hendrix mit dem Bücherschreiben Geld machte, hätte ich ihn für einen Immobilienmakler gehalten oder für einen Kollegen von Martens, dem Betriebsberater. Aber das lag wohl daran, dass in meinem Kopf verstaubte Bilder herumspukten, die schon seit meiner Kindheit dort hingen. Der Nikolaus war ein Mann mit langem, weißem Bart, und wenn er parfümiert und in Bermudashorts daherkam, dann war er für mich kein Nikolaus mehr. Ein Schriftsteller trug eine dicke, wenig kleidsame Brille, kaute mit einem skeptisch nachdenklichen Gesichtsausdruck auf einer Pfeife herum und hatte einen verwaschenen Hemdkragen und fettiges Haar. Wenn er überhaupt in den Spiegel sah, dann nur, um einen Pickel auszudrücken.
Hendrix war nicht mehr der Jüngste, möglicherweise der gleiche Jahrgang wie Kims Vater. Aber wie alle, die heutzutage mithalten wollten, bemühte er sich redlich, den Anschein zu erwecken, die Uhr laufe für ihn rückwärts. Komme, was wolle, er war immer gut drauf wie ein US-Präsident, der selbst im fortgeschrittenen Alter gezwungen war, seinen Wählern zuliebe in kurzen Hosen auf dem Sportplatz zu trainieren.
Während ich seine weiche Hand schüttelte, sprach er das Wort ›Privatdetektiv‹ vor sich hin, als stamme es aus einem längst vergessenen Märchen. Sonst hielt er sich zurück und schien nur dazu gut zu sein, dass sich Kim Martens an ihn schmiegte, während sie sich mit mir unterhielt.
»Ich wüsste gerne«, sagte ich, »was Sie von den – Schwierigkeiten halten, in denen Ihr Bruder steckt.«
Mit einer ruckartigen Kopfbewegung beförderte sie ihr Haar nach hinten. »Mein Bruder ist sehr sensibel«, erklärte sie kühl. »Er reagiert oft panisch, wenn ihm eine Situation entgleitet. Und das passiert leider häufiger.
Wäre ich gestern nicht gewesen, er wäre völlig hilflos gewesen.«
Ich wunderte mich. »Ich war gestern da. Aber Sie habe ich nicht gesehen.«
»Ich war in Hamburg, da hatte ich ein wichtiges Match. Aber er hat mich angerufen, noch bevor er die Polizei verständigte. Und ich habe gesagt, er soll ruhig bleiben. Ich habe ihm die Nummer der Polizei gegeben. In seiner Panik war er unfähig, sie herauszusuchen.«
»Und was sagen Sie dazu, dass alles nur Spaß war?«
»Es war kein Spaß. Für ihn war es blutiger Ernst.«
»Aber wo ist das Blut?«
Sie ließ den Kopf zur Seite sinken und strich das Haar mit einem leichten Kopfschütteln aus der Stirn. Ihre Augen verschwanden für eine Weile unter den langen Wimpern, ohne sich zu verabschieden.
»Halten Sie ihn nicht für einen Idioten«, warnte sie mich mit ihrer hohen Stimme.
»Das tue ich ja nicht.«
»Ich finde doch. Er hat eine blühende Phantasie, und deshalb hat mein Vater Sie gemietet, damit Sie ihm bestätigen, dass er nicht richtig im Kopf ist.«
»Man mietet Detektive nicht.«
Hendrix mischte sich ein. »Er hat Recht, mein lieber Schatz. Man engagiert sie, heuert sie an. Oder setzt sie auf einen Fall an.«
»Danke«, sagte ich.
Wieder schenkte er mir ein gnädiges Nicken. »In einem meiner nächsten Bücher wird es einen Detektiv geben«, erklärte er generös. »Sie wissen schon, so einen ungepflegten mit alten Klamotten und einer Schnapsflasche in der Tasche, der ständig pleite ist.«
»Das, was Sie beschreiben«, gab ich zurück, »ist ein Schnüffler. Ich habe selbst so einen zu Hause.« Ich wandte mich wieder an Kim. »Sie sind also
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