Pommes rot-weiß
brauchte man sich nach einer Unterhaltung mit ihm anschließend das Gesicht nicht zu waschen.
»Hören Sie doch endlich damit auf, sich selbst Leid zu tun«, bat ich ihn unfreundlich, denn ich hatte das vage Gefühl, dass er den Inhalt seiner Nase nicht unabsichtlich auf mich abgefeuert hatte. »Wenn Ihnen niemand einfällt, dem Sie auf die Füße getreten haben oder der sauer auf Sie ist, dann fällt mir niemand ein, der Ihnen was anhängen könnte. Vielleicht sollten Sie es ja mal mit was anderem als mit Wärmflaschen versuchen.«
Tilo zuckte zusammen und warf mir einen vernichtenden Blick zu. So sah die Grippe in Menschengestalt aus, die sich ihr Opfer suchte. »Was mache ich eigentlich hier?«, fragte er sich. »Ich sollte längst weg sein.«
Dieser Gedanke war mir auch schon gekommen. Aber mir fiel der Vorschuss über dreitausend Mark ein, den ich nicht aufs Spiel setzen konnte, weil mein Partner möglicherweise in einer Lage war, in der ich ihm mit Geld aushelfen musste.
»Immerhin bezahlt mich Ihr Vater dafür«, hielt ich ihn auf, »dass ich Ihnen glaube.«
Tilo war noch nicht ganz aufgestanden, als er zum zweiten Mal ausholte. Ich schaffte es gerade noch, hinter meinen Ärmeln in Deckung zu gehen.
»Tut mir Leid«, entschuldigte er sich. »Aber mein Abwehrsystem spielt verrückt.«
»Also, wie ich das sehe, funktioniert es hervorragend.« Ich wollte mir eins von seinen Taschentüchern borgen, aber es waren nur noch gebrauchte darunter. »Nur verstehe ich nicht, wieso es sich gegen mich richtet.«
Martens setzte sich wieder. »Ich habe wirklich keine Ahnung, wer dahinter stecken könnte.«
»Wenn man zum Beispiel bedenkt, dass der Schauplatz in beiden Fällen derselbe war«, überlegte ich. »Wäre es möglich, dass Ihre Schwester etwas damit zu tun hat?«
Tilo schnaufte. »Nur, weil ich zugegeben habe, dass wir uns nicht so besonders gut verstehen?«
»Nur, weil sie genau wie Sie in dieser Wohnung lebt.«
»Kim hat nur ihre Karriere im Kopf. Nichts als Tennis. Außerdem würde die sich schon bei dem bloßen Gedanken an Blut übergeben. Warum sollte ausgerechnet sie…« Er grinste ungläubig. »Nein, wenn Sie sie kennen würden, dann würden Sie das auch sagen.«
»Vielleicht.«
»Dazu kommt, dass sie fast nie da ist. Ständig ist sie auf irgendwelchen Turnieren. Eigentlich sehen wir uns kaum. Wir…«
Er begann zu husten. Erst trocken und stoßweise, fast rhythmisch. Es klang wie ein Außenbordmotor mit Startschwierigkeiten. Aber innerhalb weniger Sekunden hatte ihn das Keuchen im Griff, zerrte ihn hin und her wie eine willenlose Marionette. Tilos Augen traten hervor, er begann zu röcheln und dann grollte und detonierte es in seinem Brustkasten.
Zwei Typen näherten sich unserem Tisch in dem verräucherten Halbdunkel und mir stockte der Atem, weil sie italienisch und auf gepflegte Weise brutal aussahen. Der eine nuckelte an einem Zigarillo und der andere kaute auf einem Kaugummi herum.
»Hör mit der Husterei auf, verdammt noch mal, du lockst sie nur her!«, bettelte ich im Stillen. Aber Tilo hatte längst die Kontrolle über sich verloren, der Husten war zum heiseren Brüllen geworden und hatte sich in seinem Hals verschanzt, um von dort aus blind um sich zu feuern.
Erst als die beiden neben unserem Tisch standen, legte er eine Pause ein. Tilo japste erschöpft. Sein Gesicht leuchtete wie eine Tomate.
»So ‘n Husten, eh, da kann dich richtich fertich machen«, sagte der eine.
Der andere nickte mitfühlend. »Ehrlich, nä, dat is kein Spaß.«
Ich atmete auf. Die Jungs hatten so wenig mit Italien gemein wie Sophia Loren mit einem Funkenmariechen.
»Wenn de mich frags«, riet sein Kumpel, »da hilft nur heißes Kölsch mit Honig. Abends vorm Schlafenjehen. Hört sich jräßlich an un et schmeckt auch jräßlich. Aber ein Glas und du bis wie neu.«
»Das ist kein normaler Husten«, erklärte Tilo. »Der kommt immer aus heiterem Himmel und geht nach ein paar Stunden wieder weg.«
»Kenn ich«, sagte der eine. »Hatte ich auch schon.«
»Schmeckt jräßlich, aber hilft«, kam der andere auf sein Rezept zurück.
»Janz sicher.«
»Ich hab das mal mit heißer Milch versucht«, gab Tilo zu. »Heiße Milch mit Honig. Aber das war leider kein Erfolg.«
»Antibiotika jedenfalls kannse komplett verjessen. Da wird alles nur schlimmer von.«
»Zahlen!«, rief ich der Kellnerin zu. Aber sie nahm mich nicht zur Kenntnis. Also ging ich zum Tresen und zählte ihr das Geld hin.
»Wenn et
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