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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
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ordnete. »Wir machen nämlich erst in einer halben Stunde auf.«
    »Ich wollte eigentlich nur wissen, wann die Aufführungen sind.«
    Sie lächelte und schüttelte bedauernd den Kopf. »Die nächste ist wieder am Freitagabend. Heute wird nur geprobt. So gegen zehn gibt’s hier noch Livemusik und Kabarett.«
    Ich beschloss, mein Glück zu versuchen. »Ist Tilo auch da?«, fragte ich freundlich.
    Sie nickte. »Klar ist er da. Er ist schließlich unser Michael Douglas.«
    Völlig unmöglich, dass wir den gleichen Mann meinten.
    »Tilo Martens?«, versicherte ich mich.
    Sie war etwas irritiert. »Wer sonst?«
    Vielleicht handelte es sich um eine Inszenierung, in der alles verfremdet wurde und die so genannten Stars von ihrer schwachen, verletzlichen Seite gezeigt wurden. Michael Douglas, der an einer schleichenden, unheilbaren Krankheit litt…
    Die Rothaarige kaufte mir ab, dass ich ein guter Freund von Tilo war, und wies mir den Weg zur Bühne. »Aber nicht stören«, schärfte sie mir ein. »Nur zugucken.«
    Das eigentliche Theater bestand aus einem Raum, der für einen Hobbykeller riesig, aber für eine Bühne winzig war. Die Darsteller spielten ebenerdig, während die hinteren Ränge dank eines abenteuerlich genagelten Holzgerüsts höher lagen. Die ungemütlichen Klappstühle befanden sich nicht an ihrem Platz, sondern standen, lehnten oder lagen einzeln oder in Gruppen über den ganzen Zuschauerbereich verteilt, als wollten sie ihre Freizeit vor Dienstbeginn ausnutzen.
    Die Truppe bestand aus zwölf Schauspielern, die aber nicht spielten. Momentan war auf der Bühne ein erbitterter Disput darüber im Gange, ob die zu probende Szene aus Basic Instinct prickelnd war oder bedrohlich, genauer gesagt, ob sie prickelnd zu sein habe, während sie aber bedrohlich war, oder umgekehrt.
    »Also schön, wir machen das jetzt einfach noch mal, wie ich mir das gedacht habe. Vertraut mir, Leute, ich sehe alles schon genau vor mir…«
    Der Regisseur war ein kleiner, quirliger Mann mit wehendem, langem Haar, weißen Turnschuhen und Schwitzflecken auf seinem T-Shirt, das in Farbe und Form an ein Messgewand erinnerte. So konnte man sich vielleicht den Heiligen der Waldgeister vorstellen. Wie ein Wirbelwind fuhr er zwischen die eher müde wirkenden Darsteller und ich glaubte ihm aufs Wort, dass er die Szene genau vor sich sah.
    Es ging um die Stelle, in der Sharon Stone, die bekannte Psychologin und Hauptverdächtige in einem bestialischen Mordfall, bei der Polizei aufkreuzte, um sich von den versammelten Beamten befragen zu lassen. Wie sie diesen Auftritt nutzte, um die blöden Kerle blöd aussehen zu lassen, natürlich mit Ausnahme von Michael Douglas. Unverfroren steckte sie sich eine Zigarette an, obwohl sie genau wusste, dass Rauchen nicht erlaubt war. Und noch unverfrorener ließ sie die Typen unter ihren Rock sehen, obwohl sie genau wusste, dass sie nichts darunter trug.
    Die Truppe begann wieder mit der Probe. Endlich bemerkte ich Tilo, der auf der Bühne wie verwandelt war. Er wirkte cool und lässig und ich hätte jede Wette darauf abgeschlossen, dass er nicht einmal seine Nasentropfen dabei hatte. Er war Michael Douglas und der hatte mit Nasentropfen nichts im Sinn. Wo war der ständig leicht gebückt daherschleichende, schniefende und in seine Kränklichkeit verliebte Zögling meines Auftraggebers, der mir vorgestern noch ins Gesicht geniest hatte? Hätte man Tilo Martens, den echten, auf die Bühne bringen wollen, dann bezweifelte ich stark, ob Tilo Martens, der Schauspieler, dafür die richtige Besetzung gewesen wäre.
    Zu seiner Rechten und Linken hatten zwei Police-Detectives mit vor der Brust verschränkten Armen Position bezogen, die mit ihrer steinernen Unbeweglichkeit das düstere, bedrohliche Element der Szene ausmachen sollten. Für meine Begriffe nicht gerade die beste Idee des Regisseurs, weil es auf mich den gegenteiligen Effekt hatte. Anstatt düster und bedrohlich zu wirken, machten die beiden alles vertraut und heimelig. Ich brauchte eine ganze Weile, um den Grund dafür zu begreifen: Einer der beiden Bedrohlichen kam mir bekannt vor. Die entschlossene, unverrückbare Art, mit der seine beiden Füße auf dem Boden ruhten. Seine Unbeweglichkeit, die in jeder Sekunde aktiv und lebendig war. Dann verlagerte er sein Körpergewicht von dem einen auf den anderen Fuß…
    Er musste es sein. Der schwarze Mann, der sich Mühe gab, Guido Martens’ guten Ruf zu beschädigen, war ein Schauspieler-Kollege seines

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