Pompeji
Blättern der weiter entfernten Bäume lag sie wie ein leichter Schneefall.
Er steckte eine kleine Menge davon in seine Tasche, um sie Plinius mitzubringen, trank etwas Wasser und spülte den Geschmack des Staubes aus seinem Mund. Als er bergab schaute, konnte er einen weiteren Reiter sehen, vielleicht eine Meile entfernt, der sich gleichfalls auf diese Stelle zubewegte; vermutlich wurde er von derselben Neugier geleitet, herauszufinden, was passiert war. Attilius dachte einen Moment daran, auf ihn zu warten, damit sie ihre Ansichten austauschen konnten, entschied sich dann aber dagegen. Er wollte weiter. Er spie das Wasser aus, stieg wieder auf und ritt über die Flanke des Berges zurück, fort von der Asche, um wieder auf den Pfad zu gelangen, der in den Wald hineinführte.
Sobald er sich zwischen den Bäumen befand, verlor er rasch die Orientierung. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Jägerpfad zu folgen, der sich zwischen den Bäumen und durch ausgetrocknete Bachbetten zog und sich von einer Seite zur anderen wand, dabei jedoch immer höher hinaufführte. Er saß ab, um Wasser zu lassen. Echsen huschten zwischen dem toten Laub davon. Er sah kleine rote Spinnen und ihre zarten Netze und behaarte Raupen von der Größe seines Zeigefingers. Es gab Sträucher mit roten, süß schmeckenden Beeren. Die Vegetation war normal – Erlen, Brombeeren, Efeu. Torquatus, der Kommandant der Liburne, hatte Recht gehabt, dachte Attilius: Der Vesuv war leichter zu ersteigen, als es den Anschein hatte, und wenn die Bäche Wasser führten, würde es hier oben für ein ganzes Heer genug zu essen und zu trinken geben. Er konnte sich mühelos vorstellen, wie Spartacus, der thrakische Gladiator, vor anderthalb Jahrhunderten seine Gefolgsleute über ebendiesen Pfad geführt hatte, hinauf zu ihrer Zuflucht auf dem Gipfel.
Es kostete Attilius ungefähr eine weitere Stunde, den Wald zu durchqueren. Er hatte fast jedes Zeitgefühl verloren. Die Sonne war meistens von den Bäumen verdeckt, und durch das dichte Blätterdach fielen nur einzelne Lichtstrahlen. Der Himmel, durch das Laub in Bruchstücke aufgespalten, bildete ein grelles, sich ständig veränderndes Muster aus Blau. Die Luft war heiß und duftete nach vertrockneten Pinien und Kräutern. Schmetterlinge flatterten zwischen den Bäumen herum. Er hörte kein Geräusch außer dem gelegentlichen Gurren von Ringeltauben. Das Schwanken im Sattel in der Hitze machte ihn schläfrig. Sein Kopf sackte herab. Einmal glaubte er, ein größeres Tier auf dem Pfad hinter sich zu hören, aber als er anhielt, um zu lauschen, war das Geräusch verschwunden. Wenig später wurde der Wald dünner, und er gelangte auf eine Lichtung.
Jetzt war es, als hätte sich der Vesuv für ein anderes Spiel entschieden. Nachdem es stundenlang so ausgesehen hatte, als käme er nie näher, ragte plötzlich der Gipfel vor ihm auf – ein wesentlich steilerer Hang, ein paar hundert Fuß hoch, überwiegend blanker Fels ohne genügend Erdreich, um irgendwelcher Vegetation Halt zu bieten, abgesehen von ein paar verkümmerten Sträuchern und Pflanzen mit kleinen gelben Blüten. Und er sah genauso aus, wie ihn der griechische Autor beschrieben hatte: eine schwarze Kappe, als wäre das Land erst kürzlich von Feuer versengt worden. An manchen Stellen wölbte sich der Fels nach außen, fast so, als wäre er aus dem Innern herausgestoßen worden, und Schauer aus kleinen Steinen prasselten den Hang hinab. Ein Stück weiter war es zu größeren Steinschlägen gekommen. Mannsgroße Felsbrocken waren auf die Bäume gestürzt – und zwar, nach ihrem Aussehen zu urteilen, erst vor kurzer Zeit. Attilius erinnerte sich an das Widerstreben der Männer, Pompeji zu verlassen »Riesen sind durch die Luft geflogen, und ihre Stimmen hören sich an wie Donnerschläge …« Damit könnte ein Rätsel gelöst sein.
Der Aufstieg war zu steil für sein Pferd. Er saß ab und fand eine schattige Stelle, an der er es anbinden konnte. Er hielt Ausschau nach einem Stock und fand einen, der ungefähr halb so dick war wie sein Handgelenk – glatt, grau, seit langem abgestorben –, und mit ihm als Stütze begann er den letzten Teil des Aufstiegs.
Die Sonne hier oben war erbarmungslos und der Himmel so hell, dass er fast weiß aussah. Attilius bewegte sich in der erstickenden Hitze von einem schlackeähnlichen Felsbrocken zum nächsten, und die Luft schien ihm die Lungen zu verbrennen; es war eine trockene Hitze, vergleichbar einer Klinge,
Weitere Kostenlose Bücher