Pompeji
Aufmerksamkeit wieder Attilius zu. »Einen jungen Besserwisser aus Rom, der uns alle unser Handwerk lehren will. Glaubst du immer noch, eine Chance zu haben, hübscher Knabe? Und jetzt fehlen dir die Worte. Wie wär's, wenn ich einen zweiten Mund in dich hineinschneiden würde? Dann können wir sehen, was aus dem herauskommt.«
Er beugte sich vor, warf sein Messer von einer Hand in die andere. Seine Miene war entschlossen, er war zum Töten bereit. Langsam begann er die Grube zu umrunden, und alles, was Attilius fertig brachte, war, in die andere Richtung zu stolpern. Wenn der Aufseher stehen blieb, blieb auch Attilius stehen, und wenn er kehrtmachte und in die andere Richtung stapfte, tat Attilius dasselbe. Das ging eine ganze Weile so, aber die Taktik machte Corax offensichtlich wütend – »Du Scheißkerl!«, brüllte er. »Dieses blöde Spiel mache ich nicht mehr mit!« –, und plötzlich stürzte er direkt auf sein Opfer zu. Mit rotem Gesicht, in der Hitze keuchend, rannte er die Flanke der Vertiefung hinunter, durchquerte sie und hatte gerade die andere Seite erreicht, als etwas ihn bremste. Überrascht blickte er auf seine Beine. Mit entsetzlicher Langsamkeit versuchte er, vorwärts zu waten, wobei er den Mund öffnete und schloss wie ein gestrandeter Fisch. Er ließ sein Messer fallen und sank auf die Knie, schlug schwach auf die Luft vor sich ein, dann stürzte er vornüber aufs Gesicht.
Attilius konnte nichts anderes tun, als zuzuschauen, wie er in der trockenen Hitze ertrank. Corax unternahm noch ein paar schwächliche Versuche, sich zu bewegen, wieder und wieder schien er nach etwas außerhalb seiner Reichweite greifen zu wollen, wie auch Exomnius es getan haben musste. Dann gab er auf und lag still auf der Seite. Sein Atem wurde flacher und setzte schließlich aus, aber schon lange bevor er endgültig stillstand, hatte Attilius ihn verlassen. Mit taumelnden Schritten überquerte er den aufgewölbten, bebenden Gipfel des Berges, zwischen den sich verdickenden Schwefelfontänen hindurch, die jetzt von dem auffrischenden Wind in Richtung Pompeji abgelenkt wurden.
Unten in der Stadt wurde der leichte Wind, der in der heißesten Zeit des Tages aufkam, als willkommene Erleichterung empfunden. Der Caurus ließ in den Straßen, die sich zur Siesta leerten, winzige Staubwölkchen aufwirbeln, die bunten Markisen der Schenken und Speisehäuser flattern und das Laub der großen Platanen in der Nähe des Amphitheaters rauschen. Im Haus des Popidius kräuselte er die Oberfläche des Schwimmbeckens. Die kleinen Masken von tanzenden Faunen und Bacchanten, die zwischen den Säulen hingen, schaukelten und klirrten. Eine der Papyrusrollen, die auf dem Boden lagen, wurde von einer Bö erfasst und rollte auf den Tisch zu. Holconius streckte den Fuß aus, um sie aufzuhalten.
»Was geht hier vor?«, fragte er.
Ampliatus war versucht, Corelia hier und jetzt zu schlagen, aber er hielt sich zurück, weil er spürte, dass es irgendwie ihr Sieg sein würde, wenn man ihn dabei beobachtete, wie er sie in der Öffentlichkeit züchtigte. Ampliatus dachte schnell. Er wusste alles, was es über Macht zu wissen gab. Er wusste, dass es Zeiten gab, wo es klüger war, seine Geheimnisse für sich zu behalten, über sein Wissen im Geheimen zu verfügen. Er wusste auch, dass es Zeiten gab, wo Geheimnisse, behutsam offenbart, wie Stahlreifen wirken und andere an einen binden konnten. Blitzartig und instinktiv erkannte er, dass dies eine dieser Gelegenheiten war.
»Lest sie«, sagte er. »Vor meinen Freunden habe ich nichts zu verbergen.« Er bückte sich, sammelte die Papyri ein und legte sie auf den Tisch.
»Wir sollten gehen«, sagte Brittius. Er leerte sein Weinglas und begann aufzustehen.
»Lest sie!«, befahl Ampliatus. Brittius setzte sich rasch wieder hin. »Verzeiht mir. Bitte! Ich bestehe darauf.« Er lächelte. »Sie stammen aus dem Zimmer von Exomnius. Es ist an der Zeit, dass ihr Bescheid wisst. Bedient euch mit mehr Wein. Ich bin gleich zurück. Corelia, du kommst mit.« Er packte sie am Ellbogen und steuerte sie auf die Treppe zu. Sie ließ die Füße schleifen, aber er war zu stark für sie. Vage war er sich der Tatsache bewusst, dass seine Frau und sein Sohn ihnen folgten. Sobald sie außer Sicht waren, um die Ecke herum, im Garten ihres alten Hauses, kniff er brutal in das Fleisch zwischen seinen Fingern. »Hast du wirklich geglaubt«, zischte er, »du könntest mich verletzen – ein schwaches Geschöpf wie
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