Pompeji
Rande des Beckens verstauten, während eine Gruppe von Frauen in der Nähe stand und die Küste entlang auf den fernen Sturm schaute, der von hier aus einem riesigen braunen Seenebel glich. Die Boote vor der Küste vor Herculaneum nahmen sich vor ihm wie winzige Zweige aus. Mittlerweile fischte niemand mehr. Die Wellen wurden höher. Attilius konnte hören, wie sie in rascher Folge gegen die Küste brandeten; kaum war eine gebrochen, türmte sich die nächste darauf. Einige der Frauen jammerten, aber die ältliche Matrone in der Mitte der Gruppe, die ein dunkelblaues Kleid trug, wirkte gefasst, als er sich ihr näherte. Jetzt erinnerte er sich wieder an sie – es war die Frau mit der Kette aus riesigen Perlen.
»Bist du die Gemahlin von Pedius Cascus?«
Sie nickte.
»Marcus Attilius, kaiserlicher Wasserbaumeister. Ich habe deinen Gemahl vorgestern Abend in der Villa des Befehlshabers kennen gelernt.«
Sie sah ihn erfreut an. »Hat Plinius dich geschickt?«
»Nein. Ich bin gekommen, um dich um einen Gefallen zu bitten. Ich brauche ein Boot.«
Ihr Gesicht verriet Bestürzung. »Glaubst du, ich stünde noch hier, wenn ich ein Boot hätte? Mein Mann ist gestern damit nach Rom aufgebrochen.«
Attilius schaute sich in dem riesigen Palast um, betrachtete seine Statuen und Garten, die Kunstschätze und die Bücher, die auf dem Rasen aufgetürmt wurden. Er wandte sich zum Gehen.
»Warte!«, rief sie ihm nach. »Du musst uns helfen.«
»Es gibt nichts, was ich tun könnte. Du musst dein Glück wie alle anderen auf der Straße versuchen.«
»Um mich selbst habe ich keine Angst. Aber die Bibliothek – wir müssen die Bibliothek retten. Es sind zu viele Bücher, als dass wir sie auf der Straße transportieren konnten.«
»Mir geht es um Menschen, nicht um Bücher.«
»Menschen vergehen. Bücher sind unsterblich.«
»Wenn Bücher unsterblich sind, werden sie auch ohne meine Hilfe überleben.«
Er begann, den Pfad hinaufzugehen, der ins Haus zurückführte.
»Warte!« Sie raffte ihre Röcke zusammen und lief ihm nach. »Wo willst du hin?«
»Ein Boot suchen.«
»Plinius hat Boote. Er befehligt die größte Flotte der Welt.«
»Plinius befindet sich auf der anderen Seite des Golfs.«
»Schau hinaus aufs Meer! Ein ganzer Berg droht auf uns herabzustürzen! Glaubst du, ein einzelner Mann in einem kleinen Boot könnte etwas ausrichten? Wir brauchen eine Flotte. Komm mit!«
Das musste er der Gemahlin von Pedius Cascus zugestehen: Sie konnte es an Willenskraft mit jedem Mann aufnehmen. Er folgte ihr auf den von Säulen gesäumten Gang, der um das Schwimmbecken herumführte, und eine Treppe hinauf in die Bibliothek. Die meisten Fächer waren bereits leer. Zwei Sklaven luden die restlichen Bücher in eine Schubkarre, und die Marmorhäupter früherer Philosophen blickten fassungslos auf das, was da vorging.
»Hier bewahren wir die Werke auf, die meine Vorfahren aus Griechenland mitgebracht haben. Allein hundertzwanzig Dramen von Sophokles. Sämtliche Werke des Aristoteles, einige in seiner eigenen Handschrift. Sie sind unersetzlich. Wir haben sie nie kopieren lassen.« Sie packte ihn am Arm. »Jede Stunde werden tausende von Menschen geboren oder sterben. Was haben wir schon zu bedeuten? Diese großen Werke werden alles sein, was von uns übrig bleibt. Plinius wird das verstehen.« Sie ließ sich an einem Tischchen nieder, griff zu einer Feder und tauchte sie in ein kleines Tintenfass aus Messing. Neben ihr flackerte eine rote Kerze. »Bring ihm diesen Brief. Er kennt die Bibliothek. Sage ihm, Rectina bittet ihn, sie zu retten.«
Hinter ihr, jenseits der Terrasse, konnte Attilius sehen, wie sich die drohende Dunkelheit stetig um den Golf herum bewegte, dem Schatten auf einer Sonnenuhr vergleichbar. Er hatte gehofft, dass sie kleiner werden würde, aber sie schien noch an Kraft zu gewinnen. Rectina hatte Recht. Gegen einen Feind dieses Ausmaßes würden nur große Schiffe – Kampfschiffe – etwas ausrichten können. Sie rollte ihren Brief zusammen, versiegelte ihn mithilfe der tropfenden Kerze und drückte ihren Ring in das weiche Wachs. »Hast du ein Pferd?«
»Mit einem frischen würde ich schneller vorankommen.« »Du sollst es haben.« Sie rief einen der Sklaven herbei. »Bring Marcus Attilius zu den Stallungen und sattle ihm das schnellste Pferd, das wir haben.« Sie gab ihm den Brief, und als er ihn entgegennahm, umklammerten ihre trockenen, knochigen Finger sein Handgelenk. »Lass mich nicht im Stich,
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