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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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herrschte ein ziemliches Gedränge auf dem Hof. Zwei Pferde und zwei Reiter, umringt von einer Horde Aquädukt-Arbeitern, die ihr Abendessen im Stich gelassen hatten, um zu hören, was passiert war. Die Szene begann die Aufmerksamkeit von Passanten und auch einigen Ladenbesitzern zu erregen. »He, Wassermann«, rief der Besitzer eines Imbissstandes auf der anderen Straßenseite, »was ist los?«
    Es würde nicht viel dazu gehören, dachte Attilius – nur der leiseste Windhauch –, dass sich Panik ausbreitete wie ein Lauffeuer. Auch in ihm selbst flammte ein Gefühl der Angst auf. Er befahl zwei Sklaven, die Tore zum Platz zu schließen, und wies Polites an, dafür zu sorgen, dass die Boten Essen und etwas zu trinken bekamen. »Musa, Becco – beschafft euch einen Karren und fangt an, ihn zu beladen. Ätzkalk, Puteolanum, Werkzeug – alles, was wir zur Reparatur des Hauptstrangs brauchen. So viel, wie zwei Ochsen ziehen können.«
    Die beiden Männer sahen einander an. »Aber wir wissen nicht, was den Schaden verursacht hat«, wandte Musa ein. »Ein Karren voll reicht vielleicht nicht.«
    »Dann beschaffen wir uns weiteres Material, wenn wir Nola erreicht haben.«
    Er strebte auf das Büro des Aquädukts zu, und der Bote von Nola folgte ihm.
    »Aber was soll ich den Ädilen sagen?« Der Bote war fast noch ein Kind. Die Augenhöhlen waren der einzige Teil seines Gesichts, der nicht staubverkrustet war, und die weichen rosa Lider ließen ihn noch verängstigter aussehen. »Die Priester wollen Neptun ein Opfer bringen. Sie sagen, der Schwefel ist ein furchtbares Omen.«
    »Sag ihnen, wir kennen das Problem.« Attilius wedelte mit seinen Plänen. »Sag ihnen, wir kümmern uns um die Reparatur.«
    Er duckte sich und trat durch den niedrigen Eingang in die kleine Kammer. Exomnius hatte die Unterlagen der Augusta in einem Chaos hinterlassen. Verkaufsurkunden, Rechnungen und Quittungen, Schuldscheine, juristische Gutachten, Arbeitsberichte und Lagerverzeichnisse, Schreiben von der Behörde des Curator Aquarum und Anweisungen vom Befehlshaber der Flotte in Misenum – einige davon zwanzig oder dreißig Jahre alt – quollen aus den Truhen, türmten sich auf einem Tisch und auf dem Steinfußboden. Attilius fegte die Papiere mit dem Ellbogen vom Tisch und breitete seine Pläne aus.
    Nola. Wie war das möglich? Nola war eine große Stadt, dreißig Meilen östlich von Misenum und weit von den Schwefelfeldern entfernt. Er benutzte seinen Daumen, um die Entfernungen zu berechnen. Mit einem Ochsenkarren würden sie fast zwei Tage brauchen, um Nola auch nur zu erreichen. Die Karte zeigte ihm so deutlich wie ein Gemälde, wie sich die Katastrophe ausgebreitet haben musste und mit welch mathematischer Präzision sich der Hauptstrang entleert hatte. Er folgte ihm mit dem Finger, lautlos bewegten sich seine Lippen. Zweieinhalb Meilen pro Stunde. Wenn Nola seit Tagesanbruch kein Wasser mehr hatte, dann musste es in Acerrae und Atella im Laufe des Vormittags passiert sein. War die Wasserversorgung in Neapolis, an der Küste entlang zwölf Meilen von Misenum entfernt, am Mittag zusammengebrochen, dann musste es in Puteoli um die achte Stunde passiert sein, in Cumae um die neunte, in Baiae um die zehnte. Und jetzt schließlich, um die zwölfte, waren sie an der Reihe.
    Acht Städte ohne Wasser. Nur aus Pompeji, ein paar Meilen flussaufwärts von Nola, war noch keine Nachricht gekommen. Aber auch so waren mehr als zweihunderttausend Menschen ohne Wasser.
    Er bemerkte, dass sich der Eingang hinter ihm verdunkelte. Corax kam herein, lehnte sich gegen den Türrahmen und beobachtete ihn.
    Attilius rollte die Karte zusammen und klemmte sie sich unter den Arm. »Gib mir den Schlüssel zur Schleuse.«
    »Warum?«
    »Liegt das nicht auf der Hand? Ich werde das Reservoir absperren.«
    »Aber das ist das Wasser der Flotte. Das kannst du nicht tun. Nicht ohne Genehmigung des Befehlshabers.«
    »Warum gehst du dann nicht los und holst seine Genehmigung ein? Ich mache die Schleuse dicht.« Zum zweiten Mal an diesem Tag waren ihre Gesichter kaum eine Handbreit voneinander entfernt. »Hör zu, Corax. Die Piscina mirabilis ist eine strategische Reserve. Verstehst du? Deshalb gibt es sie – damit sie im Notfall abgeriegelt werden kann –, und in jedem Augenblick, den wir vergeuden, verlieren wir mehr Wasser. Jetzt gib mir den Schlüssel, oder du wirst dich in Rom dafür rechtfertigen müssen.«
    »Na schön. Du sollst deinen Willen haben, hübscher

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