Pompeji
Straße auf das Haus des Popidius. »Also gut, Tiro. Du kannst jetzt zum Castellum zurückkehren. Tu deine übliche Arbeit. Du hast mir sehr geholfen.«
»Danke, Aquarius.« Tiro verbeugte sich leicht, ergriff Attilius' Hand und küsste sie. Dann machte er kehrt und bahnte sich seinen Weg durch die Feiertagsmenge, hinauf zum Vesuvius-Tor.
Hora quinta
[11.07 Uhr]
»Das Einschießen von neuem Magma kann Eruptionen auch dann auslösen, wenn es das thermale, chemische oder mechanische Gleichgewicht älteren Magmas in einer flachen Kammer stört. Aus tieferen, heißeren Regionen aufgestiegenes neues Magma kann bewirken, dass die Temperatur des bereits vorhandenen, kühleren Magmas plötzlich ansteigt und sich Konvektionsströme und Bläschen bilden.«
Volcanology
Das Haus hatte eine Doppeltür: schwer beschlagen, mit bronzenen Angeln und fest verschlossen. Attilius hämmerte mehrmals mit der Faust dagegen. Er hatte das Gefühl, dass das Geräusch zu schwach war, um bei dem Lärm auf der Straße hörbar zu sein.
Aber fast im selben Moment wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, und der Pförtner erschien – ein Nubier, ungeheuer groß und breit in einer ärmellosen, karminroten Tunika. Seine dicken schwarzen Arme, so massig wie Baumstämme, und sein Hals waren eingeölt und glänzten wie poliertes afrikanisches Hartholz.
Attilius sagte leichthin: »Ein seines Tores würdiger Hüter, wie ich sehe.«
Der Pförtner lächelte nicht. »Nenne dein Geschäft.«
»Marcus Attilius, Aquarius der Aqua Augusta, wünscht Lucius Popidius zu sprechen.«
»Heute ist Feiertag. Er ist nicht zu Hause.«
Attilius schob seinen Fuß in die Tür. »Jetzt ist er es.« Er öffnete seinen Beutel und holte Plinius' Brief heraus. »Erkennst du dieses Siegel? Sage ihm, dass dieses Schreiben vom Befehlshaber der Flotte in Misenum kommt. Sage ihm, dass ich ihn in Geschäften des Kaisers sehen muss.«
Der Pförtner schaute auf Attilius' Fuß. Wenn er die Tür zugeschlagen hätte, wäre er wie ein dürrer Ast gebrochen. Hinter ihm ertönte die Stimme eines Mannes: »Hat er gerade gesagt, er käme in Geschäften des Kaisers, Massavo? Dann solltest du ihn lieber hereinlassen.« Der Nubier zögerte – Massavo ist ein passender Name für ihn, dachte Attilius –, dann wich er zurück, und der Wasserbaumeister trat rasch durch die Öffnung. Hinter ihm wurde die Tür wieder verriegelt; die Geräusche der Stadt waren verstummt.
Der Mann, der gesprochen hatte, trug dieselbe karminrote Livree wie der Pförtner. Er hatte ein Bund Schlüssel an seinem Gürtel – der Hausverwalter vermutlich. Er nahm den Brief entgegen und fuhr mit dem Daumen über das Siegel, um sich zu vergewissern, dass es nicht gebrochen war. Er musterte Attilius. »Lucius Popidius bewirtet Gäste anlässlich der Vulcanalia. Aber ich werde dafür sorgen, dass er ihn erhält.«
»Nein«, sagte Attilius. »Ich werde ihm den Brief selbst geben. Und zwar sofort.«
Er streckte die Hand aus. Der Hausverwalter schlug mit der Papyrusrolle gegen seine Zähne und überlegte, was er tun sollte. »Also gut.« Er gab Attilius den Brief zurück. »Folge mir.«
Der Hausverwalter führte ihn durch den schmalen Korridor der Vorhalle in ein sonnenbeschienenes Atrium, und zum ersten Mal wurde Attilius bewusst, wie riesig das Haus war. Die schmale Fassade täuschte. Über die Schulter des Mannes hatte er einen ungehinderten Blick auf das Innere, hundertfünfzig Fuß oder mehr aneinander gereihte Ausblicke in Licht und Farben – der schattige Korridor mit seinem schwarzweißen Mosaikfußboden; die blendende Helle des Atriums, in der Mitte ein Marmor-Springbrunnen; ein Tablinum, in dem man Besucher empfing, bewacht von zwei Bronzebüsten; und dann ein Schwimmbecken mit einer Kolonnade, deren Säulen von Kletterpflanzen überwuchert waren. Er hörte Finken, die irgendwo in einem Vogelhaus sangen, und lachende Frauenstimmen.
Sie erreichten das Atrium, und der Hausverwalter sagte barsch: »Warte hier«, bevor er hinter einem Vorhang verschwand, der einen schmalen Korridor abschloss. Attilius schaute sich um. Wer hier wohnte, hatte Geld, altes Geld, und er hatte es dazu verwendet, sich inmitten der lärmenden Stadt Abgeschiedenheit zu kaufen. Die Sonne stand jetzt fast genau über seinem Kopf; ihr Licht fiel durch die quadratische Öffnung im Dach des Atriums, und die Luft war warm und duftete nach Rosen. Von dieser Stelle aus konnte er den größten Teil des Schwimmbeckens
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