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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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in die Flanken des Pferdes und zog die Zügel an, um es nach links zu lenken, in die dem Forum entgegengesetzte Richtung. An der ersten Kreuzung bog sie abermals nach links ab. Sie hielt sich ganz bewusst an die leeren Nebenstraßen, und erst, als sie glaubte, weit genug von dem Haus entfernt zu sein, um jemandem zu begegnen, den sie kannte, bog sie auf die Hauptstraße ein. Vom Forum kam eine weitere Applauswelle.
    Sie ritt hügelauf, vorbei an den menschenleeren Bädern, die ihr Vater baute, vorbei am Castellum aquae und unter dem Bogen des Stadttors hindurch. Sie senkte den Kopf und zog die Kapuze ihres Umhangs weiter herunter, als sie den Zollposten passierte, und dann war sie aus Pompeji heraus und auf der Straße zum Vesuv.

 
    Vespera
     
    [20.00 Uhr]
     
    »Das Eintreffen von Magma in Oberflächennähe lässt die Kammer anschwellen und bläht die Oberfläche auf.«
     
    Encyclopedia of Volcanoes
     
    Attilius und seine Mannschaft erreichten die Matrix, den Hauptstrang der Aqua Augusta, als der Tag zu Ende ging. Einen Moment lang beobachtete der Wasserbaumeister, wie die Sonne hinter dem großen Berg unterging, seine Umrisse scharf von einem roten Himmel abgrenzte und die Bäume aussehen ließ, als stünden sie in Flammen, dann war sie verschwunden. Aus der dunklen Ebene ragte etwas auf, das aussah wie schimmernde Haufen aus hellem Sand. Er schaute genauer hin, dann trieb er sein Pferd an und galoppierte voraus.
    Um eine dachlose, ungefähr mannshohe Ziegelsteinmauer waren vier Kiespyramiden aufgetürmt worden. Es war ein Klärbecken. Attilius wusste, dass es an der Augusta mindestens ein Dutzend solcher Becken geben musste – alle drei oder vier Meilen eines, war Vitruvs Empfehlung –, Orte, an denen der Fluss des Wassers absichtlich verlangsamt wurde, damit sich Verunreinigungen absetzen konnten. Massen von kleinen Kieseln, in der Matrix rund und glatt geschliffen, mussten alle paar Wochen herausgeholt und neben dem Aquädukt aufgeschichtet werden; von dort wurden sie dann abgeholt und entweder irgendwo abgekippt oder zum Straßenbau verwendet.
    Ein Klärbecken war von jeher eine bevorzugte Stelle für eine Abzweigung gewesen, und als Attilius vom Pferd stieg und näher heranging, sah er, dass das auch hier zutraf. Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich schwammig an, die Vegetation war grüner und üppiger, das Erdreich mit Wasser durchtränkt. Wasser quoll über den gesamten Rand des Beckens und überzog das Mauerwerk mit einem schimmernden, durchscheinenden Film. Das letzte Einstiegsloch der Abzweigung nach Pompeji lag direkt vor der Mauer des Beckens.
    Er stützte die Hände auf den Rand und schaute hinein. Das Becken hatte einen Durchmesser von zwanzig Fuß, und er schätzte, dass es mindestens fünfzehn Fuß tief war. Da die Sonne untergegangen war, war es zu dunkel, um den Kiesboden zu erkennen, aber er wusste, dass es dort unten drei Tunnelöffnungen geben musste – eine, durch die die Augusta hereinfloss, eine zweite, durch sie hinausfloss, und eine dritte, die Pompeji mit dem System verband. Wasser überspülte seine Finger. Er fragte sich, wann Corvinus und Becco die Schleusen in Abellinum geschlossen hatten. Mit einigem Glück würde der Strom sehr bald versiegen.
    Schwere Schritte näherten sich auf dem Gelände hinter ihm. Brebix und zwei der anderen Männer kamen von den Karren herüber.
    »Ist das die Stelle, Aquarius?«
    »Nein, Brebix. Das ist sie noch nicht. Aber jetzt ist es nicht mehr weit. Siehst du das? Die Art, wie das Wasser heraussprudelt? Das liegt daran, dass der Hauptstrang irgendwo in der Nähe blockiert ist.« Er wischte sich die Hände an seiner Tunika ab. »Wir müssen weiter.«
    Für seine Leute war das keine erfreuliche Entscheidung, und sie erregte rasch noch mehr Verdruss, als sie feststellten, dass die Karren bis zu den Achsen in den Boden einsanken. Alle fluchten, und die Männer brauchten ihre ganze Kraft, um Schultern und Rücken gegen die Karren zu stemmen und einen nach dem anderen auf trockeneres Gelände zu befördern. Ein halbes Dutzend der Männer stürzte hin, und dann lagen sie da und dachten nicht daran, sich zu bewegen; Attilius musste herumgehen, ihnen die Hand entgegenstrecken und sie hochziehen. Sie waren erschöpft, abergläubisch, hungrig – schlimmer als eine Herde missgelaunter Maultiere.
    Attilius band sein Pferd am hinteren Ende eines der Karren an, und als Brebix fragte, was das sollte, sagte er: »Ich gehe zu Fuß, wie ihr auch.« Er

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