Ponyhof kleines Hufeisen - 8 - Eine heisse Spur
„Bis morgen“ flüsterte sie. „Ich komme gleich nach der Schule.“
Wolkenmähne prustete ihr sanft ins Gesicht. Die Stute war schon wieder munterer und fraß langsam ihr Heu.
Sabine rannte zum Auto, riss die Tür auf und ließ sich wortlos auf den Rücksitz fallen. Gut, sie würde ihre Hausaufgaben machen und in die Schule gehen, aber mit der Mutter würde sie heute kein Wort mehr reden.
Später brütete sie in ihrem Zimmer über den Matheaufgaben. Sie konnte sich nicht konzentrieren und machte ständig Fehler. Immer wieder gingen ihre Gedanken zum Ponyhof und zu den kranken Pferden. Wie ging es Stella? Waren inzwischen noch mehr Pferde krank geworden? Brauchte Cornelia sie wirklich nicht? Sie dachte daran, wie der kleine Shetlandwallach Max damals an Hufrehe gestorben war. Ganz schnell war es gegangen. Und wenn Stella heute Nacht starb? Wenn sie morgen schon gar nicht mehr da war? Wenn sie das Fohlen heute Abend zum letzten Mal gesehen hatte? Sabine hielt es nicht mehr aus. Sie sprang auf und rannte zum Telefon.
Es läutete lange, dann schaltete sich Cornelias Anrufbeantworter ein. „Leider können wir gerade nicht ans Telefon kommen ...“
Sabine schluckte, sie hinterließ eine kurze Nachricht. Hoffentlich dachte Cornelia daran, den Apparat abzuhören, wenn sie später aus dem Stall kam.
Als das Telefon endlich nach einer Stunde läutete, schoss Sabine wie der Blitz aus ihrem Zimmer. Sie holte tief Luft, als Stefan sich meldete. Er hatte gute Neuigkeiten! Stella ging es besser, ihr Zustand hatte sich stabilisiert, die Kolikanfälle ebbten ab.
Trotzdem konnte Sabine lange nicht einschlafen, als sie später im Bett lag. Sie wäre jetzt so gern im Stall gewesen, um selbst bei den Pferden Wache zu halten.
„Seht euch die Abbildungen ganz genau an, damit ihr die Giftpflanzen später erkennt“, sagte Cornelia, als sie die fotokopierten Blätter an die Reitschüler verteilte. Herbstzeitlose, Schierling und Fingerhut waren darauf abgebildet, das hochgiftige Bilsenkraut, Frühlings-Adonisröschen und Schöllkraut.
„Herbstzeitlose blühen jetzt im Sommer noch nicht, aber vielleicht entdecken wir das Kraut oder die Fruchtkapsel. Eiben sind hier bei uns nicht auf den Weiden“, sagte Stefan, „auch keine Akazien oder Tollkirschen. Aber wir müssen unbedingt nach den anderen Pflanzen Ausschau halten. Vielleicht wachsen sie doch irgendwo unbemerkt in einer Ecke der Koppel und manche der Pferde haben davon gefressen.“
Ausgerüstet mit den Abbildungen machten sich alle mit Cornelia auf den Weg zur Koppel.
Die Pferde hatten sich erholt, allen ging es besser. Stella war noch ein wenig matt, aber ihre Augen bekamen langsam wieder Glanz. Am Morgen war sie schon mit Moritz über den Sandauslauf gelaufen.
Sabine ging neben Stefan her. Aufmerksam betrachteten sie die Gräser und kleinen Wiesenblumen, die auf der Weide wuchsen. Der Löwenzahn blühte gelb, es gab rote Kuckucksblumen und Sauerampfer.
„Löwenzahn ist für Pferde sehr gesund“, erklärte ihr Stefan. „Er soll blutreinigend wirken und sogar bei Rheuma helfen. Mein Großvater hat im Sommer oft Löwenzahn gesammelt und getrocknet, um ihn den Pferden unters Winterfutter zu mischen.“ Sabine beugte sich hinunter und brach einen Stängel Löwenzahn ab. Einige Tropfen weißlicher Flüssigkeit traten an der Bruchstelle hervor.
„Mit dieser Löwenzahnmilch hat Opa Warzen bei Pferden behandelt, die nicht bluteten“, fuhr Stefan fort.
„Wirklich?“ Sabine sah ihn zweifelnd an. „Und das hat geholfen?“
„Na klar, wenn ich es dir doch sage. Man muss nur jeden Tag etwas von dieser Flüssigkeit draufstreichen, bald fällt die Warze dann ab. Wir hatten eine große Fuchsstute, Dornröschen, hieß sie“, erzählte Stefan weiter. „Sie hatte mehrere Warzen am Maul. Opa hat sie längere Zeit mit Löwenzahnmilch behandelt und sie sind irgendwann verschwunden. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du ihn selbst fragen. Er kommt uns nämlich in ein paar Wochen besuchen!“
„Ist er zu Wolkenmähnes Geburtstag da?“, fragte Sabine hoffnungsvoll.
„Das kann sein. Wann soll die Feier sein?“
„Das werden Michaelas Eltern und Cornelia entscheiden“, antwortete Sabine. „Zuerst einmal müssen die Pferde wieder ganz gesund sein, so viel steht fest. Wir hatten ja noch keine Gelegenheit, die Reiterspiele vorzubereiten und die anderen Aufgaben zu üben...“
Auf einmal unterbrach ein Schrei von der Nordseite der Koppel ihre Worte. „Hilfe!
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