Poor Economics
Nach einem Jahr hätten Sie 125 Dollar für Ihre Investition, nach zwei Jahren 156 und nach drei Jahren 195. Es würde 21 Jahre dauern, bis Sie genug Geld hätten, um die Maschinen zu kaufen und den Knick zu überwinden. Wenn Sie in der Zwischenzeit ein bisschen Geld zum Leben brauchten und deshalb nur die Hälfte Ihres Gewinns sparen könnten, dann wären Sie in 40 Jahren noch nicht an dem Punkt angekommen. Ganz abgesehen von dem Stress, den das Führen eines Geschäfts mit sich bringt, der harten Arbeit und den langen Arbeitstagen.
Dazu kommt, dass einer Kleinstunternehmerin, wenn sie merkt, dass sie im unteren Teil der S-Kurve festsitzt und nie viel Geld verdienen wird, vermutlich auch die Motivation ausgeht. Stellen Sie sich einen Unternehmer vor, der sich unterhalb von Punkt M in Abbildung 7 befindet, beispielsweise den Ladenbesitzer, den wir in Gulbarga getroffen haben. Er könnte seinen Gewinn steigern, indem er mehr Geld spart und ein etwas attraktiveres Warenangebot einkauft. Doch selbst wenn er das tut, wird er über Punkt M nicht hinauskommen. Ist es das wert?
Selbst wenn das sein größter Wunsch wäre, sein Leben würde sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wesentlich verändern. In Anbetracht der Tatsache, dass sein Geschäft immer klein bleiben und nie viel Geld einbringen wird, entschließt er sich womöglich, seine Kraft auf andere Dinge zu verwenden.
Mit den Investitionen ist es ähnlich wie mit den Ersparnissen: Die Armen sparen weniger als die Mittelschicht, weil sie wissen, dass ihre Ersparnisse nie ausreichen, um sich etwas Großes (wie einen Fernseher oder einen Kühlschrank) zu kaufen, das sie wirklich gerne hätten. Und sie investieren nicht so viel (nicht nur Geld, sondern auch Energie und Herzblut) in ihre Geschäfte, weil sie wissen, dass sie den »Quantensprung« nicht schaffen können. Das mag die Welten erklären, die zwischen der Einschätzung des marokkanischen Bauern Ben Sedan und der von Fouad Abdelmoumni liegen: Fouad kann durchaus recht damit haben, dass Ben Sedan noch nie darüber nachgedacht hat, seine Kühe in
einem Stall zu halten. Vielleicht hat er aber daran gedacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass sich der enorme Aufwand – von der Beschaffung des Kredits über den Bau eines Stalls für gerade mal vier Kühe und deren anschließenden Verkauf – nicht lohnt: Er und seine Familie würden nach wie vor relativ arm sein. In gewisser Weise haben beide recht: Fouad, weil seine Geschäftsidee durchaus funktionieren könnte, und Ben Sedan, weil es für ihn die Mühe nicht wert ist.
Dass die meisten Kleinstunternehmer nicht wirklich bereit sind, jedem Cent nachzujagen, könnte eventuell auch die enttäuschenden Ergebnisse von Businesstrainingsprogrammen erklären, die inzwischen von vielen Mikrofinanzinstituten als zusätzlicher Service für ihre Kunden angeboten werden. Bei den wöchentlichen Treffen erfahren die Kunden, wie sie ihre Buchführung verbessern und ihren Warenbestand managen können und was es mit den Zinssätzen auf sich hat. In Peru und in Indien wurden solche Programme evaluiert. 7 In beiden Ländern fanden die Forscher Verbesserungen in der Geschäftsführung, aber keine Veränderungen bei Umsatz, Gewinn oder Vermögen. Die Programme waren entwickelt worden, weil man beobachtet hatte, dass diese Geschäfte oft mehr schlecht als recht geführt werden. Wenn der Grund für die schlechte Geschäftsführung aber weniger das fehlende Wissen als vielmehr die fehlende Begeisterung ist, muss man sich nicht wundern, wenn solche Trainings nicht viel bringen. In der Dominikanischen Republik wurde neben dem normalen Trainingsmodul versuchsweise ein anderes Programm mit einem vereinfachten Lehrplan unterrichtet. Es konzentrierte sich darauf, den Unternehmern einfache Regeln an die Hand zu geben, wie die Ausgaben für Haushalt und Geschäft getrennt zu behandeln oder sich selbst ein Gehalt zu zahlen. 8 Auch hier erwies sich das reguläre Training als ineffektiv, doch die Vermittlung der einfachen Regeln führte zu einer Steigerung der Gewinne. Die Leute waren wohl bereit, einfache Regeln zu befolgen, die ihnen das Leben tatsächlich erleichterten und nicht auch noch größere geistige Anstrengungen von ihnen verlangten.
Diese Befunde zusammengenommen lassen erhebliche Zweifel an der Vorstellung aufkommen, dass der durchschnittliche kleine Geschäftsinhaber ein geborener »Unternehmer« im allgemeinen Wortsinn ist – jemand, dessen Geschäft Wachstumspotenzial
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