Poor Economics
eine Produktionstechnik investieren, die es ermöglicht, im großen Maßstab tätig zu werden. Rufen Sie sich Xu Aihua in Erinnerung, die junge Chinesin, die mit einer Nähmaschine begann und ein Bekleidungsimperium aufbaute. Der Wendepunkt in ihrer Karriere waren die Exportaufträge. Ohne die wäre sie sicher bald an die Grenzen des lokalen Marktes gestoßen. Andererseits brauchte sie eine moderne Fabrik mit automatischen Nähmaschinen, um überhaupt für solche Aufträge in Frage zu kommen. Das zwang sie zu einer Investition, die hundertmal höher war als das Startkapital ihrer Firma.
Abbildung 7 symbolisiert diese beiden Produktionstechniken. Im linken Teil der Abbildung erkennen Sie die Kurve OP, aber weiter rechts kommt eine neue Technik ins Spiel (Kurve QR), die keinerlei Erträge generiert, bis ein Minimum (Q) an Investitionen getätigt ist, dann aber hohe Erträge bringt. Wir haben Teile der beiden Kurven OP und QR fett gezeichnet, so dass eine neue Linie OR entsteht – sie repräsentiert den Ertrag bei einer bestimmten Investitionshöhe. Wenn Sie nur wenig investieren, landen Sie auf OP; es gibt keinen Grund in QR zu investieren, weil dort zunächst keine Erträge anfallen. Wenn Sie mehr investieren, entwickelt sich OP zu einem schlechten Geschäft, denn der Grenzertrag bleibt eine Weile niedrig. Doch sobald Sie genug Geld haben, können Sie auf QR überwechseln. Das ist Xu Aihuas
Geschichte: Sie begann mit ihrer gebrauchten Nähmaschine in OP und schaffte es irgendwann, auf QR und die automatischen Nähmaschinen überzuwechseln.
Abbildung 7: Kombination von zwei Produktionstechniken und die S-Kurve des Unternehmertums
Sehen Sie sich die Kurve OR an. Erinnert sie Sie nicht an die S-Kurve? Der Knick in der Mitte, das ist der Punkt, den Sie erreichen müssen, wenn Sie wirklich Geld verdienen wollen. In OR verbirgt sich wieder das bekannte Dilemma von S-Kurven: Investiert man wenig, verdient man wenig und bleibt zu arm, um deutlich mehr investieren zu können. Investiert man genug, um den Knick zu überwinden, wird man reich und kann mehr investieren, um noch reicher zu werden. Der springende Punkt ist, dass das Überwinden des Knicks für die meisten Leute keine echte Möglichkeit darstellt. Sie können zwar kleine Kredite bekommen, aber niemand (nicht einmal die Mikrofinanzinstitute, die, wie wir gesehen haben, auch lieber auf Nummer sicher gehen)
wird ihnen so viel Geld leihen. Darüber hinaus braucht man, um überhaupt so weit zu kommen, einige Management- und sonstige Fähigkeiten, die diesen Menschen fehlen und die sie sich auch nicht mit Geld kaufen können. Daher sind sie dazu verurteilt, klein zu bleiben. Manchmal tritt die erste Abflachung der Erträge so schnell ein, dass die Kleinunternehmerin am Ende drei Geschäfte nebeneinander betreibt, statt eines davon zu vergrößern: Morgens verkauft sie dosas, untertags handelt sie mit Saris und am Abend fädelt sie Perlen zu Ketten auf.
Aber wie hat Xu Aihua es geschafft? Sie hatte ihren Maschinenpark acht Jahre lang jedes Jahr um 70 Prozent vergrößert, indem sie ihre Gewinne reinvestierte. Das heißt, ihre Gewinne mussten – nach Abzug der Lohnkosten – mindestens 70 Prozent des Werts ihrer Maschinen betragen, und ihre Gesamterträge müssen sogar noch höher ausgefallen sein. Das ist eine außerordentliche Rentabilität – die Kleinunternehmen in Hyderabad würden, wie wir festgestellt haben, sogar Geld verlieren, wenn sie auch nur ein Minimum an Lohn zu zahlen hätten. Für diese Diskrepanz gibt es unserer Meinung nach zwei Gründe: Erstens hat Xu Aihua außerordentliches Talent, und zweitens traf sie in den frühen Tagen der Öffnung Chinas auf wenig Konkurrenz und große Nachfrage. Sie war einfach zur rechten Zeit am rechten Ort.
Unternehmer sein ist zu schwer
Wenn wir mit unserer Diagnose richtig liegen, dann vergrößern Arme ihre Geschäfte deshalb nicht, weil es für die meisten von ihnen zu schwer ist: Sie können sich nicht genug leihen, um den Knick zu überwinden, und Sparen, bis sie diesen Punkt erreichen, würde zu lange dauern, es sei denn, ihre Geschäfte erzielten extrem hohe Gesamterträge. Nehmen wir an, Sie eröffnen mit 100 US-Dollar Startkapital ein Geschäft, und Sie müssten, wie Xu Aihua, hundertmal so viel investieren (10 000 Dollar), um sich neue Maschinen zu kaufen. Nehmen wir weiter an, Sie erwirtschaften sehr gute Profite in Höhe von 25 Prozent pro investiertem
Dollar und Sie reinvestieren diese voll und ganz.
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