Poor Economics
besitzt, jemand, der willens und in der Lage ist, Risiken zu tragen, hart zu arbeiten und mit Nachdruck ein Ziel zu verfolgen, auch wenn sich immer wieder Schwierigkeiten auftun. Damit wollen wir selbstverständlich nicht behaupten, es gebe keine geborenen Unternehmer unter den Armen – wir haben selbst eine ganze Reihe von Gegenbeispielen kennengelernt –, aber es gibt eben auch die Vielen, die ein Geschäft betreiben, das nie etwas anderes als klein und unrentabel sein wird.
Einen Job kaufen
Das fordert natürlich die Frage heraus, warum so viele Arme dann überhaupt ein Geschäft führen? Eine Antwort auf diese Frage erhielten wir von Pak Awan und seiner Frau; das junge Paar lebte in Cica Das, dem Slum der indonesischen Stadt Bandung. Den beiden gehörte ein kleiner Laden, den sie in einem Zimmer im Haus seiner Eltern betrieben. Pak Awan arbeitete als Gelegenheitsarbeiter auf dem Bau, doch die meiste Zeit war er arbeitslos. Als wir das Paar im Sommer 2008 kennenlernten, hatte Pak Awan seit zwei Monaten keinen Job mehr gehabt. Sie hatten zwei kleine Kinder, die Familie brauchte mehr Geld, deshalb musste sich auch seine Frau auf Arbeitssuche machen. Sie hätte gerne in einer Fabrik gearbeitet, doch dafür war sie nicht ausreichend qualifiziert: In den Fabriken will man junge oder unverheiratete Leute oder solche mit Erfahrung. Über die entsprechende Erfahrung verfügte sie nicht, denn sie hatte nach der Highschool eine Ausbildung zur Sekretärin gemacht, da sie jedoch später die Einstellungstests nicht bestand, gab sie dieses Berufsziel auf. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ein kleines Geschäft zu eröffnen. In einem ersten Versuch bereitete Paks Frau zu Hause kleine Snacks vor, die sie dann in der Stadt verkaufte. Aber sie suchte eine Beschäftigung, bei der sie daheim bleiben und auf
die Kinder aufpassen konnte. Deshalb eröffneten sie mit einem Kredit, den Pak Awan von einer Kooperative bekam, der er angehört, den Laden, obwohl es bereits zwei andere in einer Entfernung von 50 Metern gab.
Pak Awan und seiner Frau machte es keinen Spaß, ein Geschäft zu führen. Sie hätten von der Kooperative einen zweiten Kredit bekommen können, um den Laden zu vergrößern, aber sie hatten abgelehnt. Dann wurde zu ihrem Pech noch ein weiterer, vierter Laden in der näheren Umgebung eröffnet und bedrohte ihre Lebensgrundlage, weil er ein breiteres Warenangebot hatte. Als wir sie trafen, waren sie gerade dabei, einen neuen Kredit aufzunehmen, damit sie mehr Waren kaufen konnten. Sie hofften für ihre Kinder, dass diese einmal einen Angestelltenjob bekommen würden, am besten in einer Behörde.
Die Unternehmungen der Armen scheinen oft weniger einem inneren (unternehmerischen) Drang zu entspringen als vielmehr eine Möglichkeit darzustellen, für sich selbst einen Job zu schaffen, wenn es keine »normalen« Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Viele der Geschäfte werden betrieben, weil irgendjemand in der Familie (vermeintlich) Zeit dafür hat und jedes noch so kleine Zusatzeinkommen gebraucht wird. Dieser Jemand ist meistens eine Frau, und typischerweise betreibt sie das Geschäft neben ihrer Hausarbeit; tatsächlich ist nicht immer klar, ob sie groß gefragt wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ein Geschäft zu eröffnen. Es ist noch nicht lange her, seit Männer im Westen zumindest in Lippenbekenntnissen anerkennen, was ihre »nicht arbeitenden« Frauen alles für sie tun; es wäre daher nicht verwunderlich, wenn ihre Geschlechtsgenossen in den Entwicklungsländern immer noch behaupteten, ihre Frauen hätten mehr Freizeit, als sie tatsächlich haben. Daher kann es sehr gut sein, dass viele Geschäftsinhaber, und zwar vor allem weibliche, diesen Job gar nicht gerne machen und sogar einen Horror davor haben, ihn auch noch auszuweiten. Aus diesem Grund könnten viele der weiblichen Geschäftsinhaber in Sri Lanka mit den 250 US-Dollar Zuschuss, die sie eigentlich für ihr Geschäft bekommen
hatten, etwas anderes gemacht haben; die männlichen dagegen investierten das Geld und erzielten damit hohe Erträge. 9 Vielleicht sollte man die vielen Geschäfte der Armen nicht als Ausdruck ihres Unternehmergeistes betrachten, sondern als ein dramatisches Versagen der Wirtschaftssysteme, in denen sie leben und die ihnen nichts Besseres zu bieten haben.
Gute Jobs gesucht!
Vor einiger Zeit haben wir in die Fragebögen, die wir an Arme überall auf der Welt verteilen, die Frage aufgenommen: »Was wünschen Sie sich
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