Poor Economics
entfernt. Das gesamte Angebot bestand aus überwiegend leeren Plastikbehältern in einem schwach erleuchteten Raum. Wir brauchten nicht lange für die Bestandsaufnahme:
Warenbestand eines Dorfladens in einer ländlichen Region in Indien
1 Dose mit Salzgebäck
3 Dosen mit Kaubonbons
1 Dose und 1 kleiner Sack mit verpackten Bonbons
2 Dosen Kichererbsen
1 Dose mit Einzelportionen Instantkaffee
1 Packung Brot (5 Scheiben)
1 Packung papadam (ein Gebäck aus Linsenmehl)
1 Packung Knäckebrot (20 Scheiben)
2 Schachteln Plätzchen
36 Streichhölzer
20 Stück Seife
180 Einzelportionen pan parag (Kautabak mit Betelnuss)
20 Teebeutel
40 Päckchen haldi (Gelbwurzelpulver)
5 kleine Flaschen Talkumpuder
3 Schachteln Zigaretten
55 kleine Päckchen bidis (dünne, aromatisierte Zigaretten)
35 größere Päckchen bidis
3 Packungen Waschpulver (à 500 Gramm)
15 kleine Schachteln Butterkekse
6 Einzelportionen Shampoo
Wir hielten uns zwei Stunden in dem Laden auf, in dieser Zeit kamen zwei Kunden. Der eine kaufte eine einzelne Zigarette, der andere ein paar Streichhölzer. Den Grenzertrag könnte man sicher deutlich erhöhen, indem man den Warenbestand vergrößert, vor allem wenn die Familie nach Produkten suchen würde, die andere Läden im selben Dorf nicht führen. Aber der Gesamtertrag des Geschäfts war sehr gering: Bei diesem Umsatz lohnte es sich wahrlich nicht, den ganzen Tag im Laden zu sitzen.
In Entwicklungsländern gibt es unzählige solcher Geschäfte, oft mehrere in einem Dorf und Tausende entlang der Durchgangsstraßen von großen Städten – und alle haben ein sehr eingeschränktes Warenangebot. Für die Obst- und Gemüseverkäufer und die Imbissstände gilt dasselbe.Wenn man um neun Uhr morgens die Hauptstraße des größten Slums von Guntur entlanggeht, stolpert man förmlich über die Frauen, die in einer Reihe nebeneinander sitzend dosas verkaufen, Pfannkuchen aus Reis- und Bohnenmehl, die in Südindien zum Frühstück gegessen werden. Sie werden, mit einer Gewürzpaste bestrichen und in Zeitungspapier oder ein Bananenblatt eingewickelt, für eine Rupie (etwa 5 Cent) verkauft. An dem Morgen, an dem wir dort waren, haben wir eine Dosa -Verkäuferin auf sechs Häuser gezählt. Die Folge war, dass viele dieser Frauen praktisch die meiste Zeit nur herumsaßen und auf Kunden warteten. Wenn sich drei von ihnen zusammengetan und die anderen nach Hause geschickt hätten, um irgendetwas anderes zu tun, hätten sie eindeutig mehr Geld verdient.
Das ist das Paradoxe an den Armen und ihren Geschäften: Einerseits haben sie Ideen und Energie und schaffen es, aus nichts eine Menge zu machen. Andererseits fließt die meiste Energie in Geschäfte, die winzig klein sind und sich so gut wie nicht von den anderen um sie herum unterscheiden. Das führt dazu, dass ihre Inhaber keine Chance haben, einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen. Die kreativen Sandtrocknerinnen in Mumbai haben eine Möglichkeit entdeckt, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen profitabel zu nutzen: Zeit und Sand vom
Strand. Was der Onkel unseres Geschäftsmanns diesem nicht erzählte war, dass der Gewinn, den diese Tätigkeit abwarf, – Einfallsreichtum hin oder her – mit ziemlicher Sicherheit vernachlässigbar gering war.
Weil diese Unternehmen so winzig sind, ist auch der Gesamtertrag meist gering, obwohl der Grenzertrag hoch ist. Damit taucht eine neue Frage auf. Wenn der Grenzertrag hoch ist, ist es leicht, den Gesamtertrag wachsen zu lassen – einfach indem man mehr Geld in das Geschäft steckt. Warum wachsen all die kleinen Geschäfte dann aber nicht ständig?
Einen Teil der Antwort kennen wir bereits: Die meisten dieser Unternehmen können sich kaum Geld leihen – und wenn, dann nur zu sehr ungünstigen Konditionen. Aber das ist nicht alles. Zum einen gibt es zwar Millionen von Mikrokreditnehmern, aber noch viel mehr, die Geld leihen könnten, es aber nicht tun. Zu ihnen gehörte Ben Sedan, der sein Geld mit der Aufzucht von Kühen verdiente und sein Geschäft mit einem Mikrokredit hätte vergrößern können; doch er entschied sich dagegen. Sogar in Hyderabad, wo es mehrere konkurrierende Mikrofinanzinstitute gibt, bewarben sich nur 27 Prozent der in Frage kommenden Familien um einen Kredit und nur 21 Prozent der kleinen Ladenbesitzer hatten einen Mikrokredit aufgenommen.
Ein anderer Punkt: Selbst die, die nichts leihen können, können sparen. Nehmen wir den Ladenbesitzer aus Gulbarga und seine Familie. Sie lebten
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