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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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gefangengenommen und schließlich wegen Hochverrats und Piraterie in London enthauptet worden war. Raleigh, der Soldat, der zur See
     gefahren, dann ein Günstling der Königin geworden war, nur um schließlich doch wieder zur See zu fahren, faszinierte den jungen
     Francis Stevenson. Er selbst war zu jung, um sich noch an die Zeit zu erinnern, als Elisabeth das Land regierte, doch offenbar
     hatte Raleigh zu ihren Favoriten gezählt. Der neue König, Jakob   I., sah es anders und ließ Raleigh unter dem fadenscheinigen Vorwurf des Verrats dreizehn Jahre lang in den Tower sperren.
     In Gefangenschaft verfasste Raleigh seine
History of the World
, die Francis alsbald lesen sollte. Schließlich ließ König Jakob Raleigh unter der Bedingung frei, dass er sich unverzüglich
     in seinem Auftrag auf Schatzsuche zu begeben habe. Im Hafen von Plymouth trieben sich noch einige Männer herum, die an jener
     Unglücksfahrt teilgenommen hatten und von den sagenumwobenen Goldminen am Fluss Orinoco erzählen konnten, die nie gefunden
     wurden. Stattdessen nahmen Raleigh und seine Männer die spanische Siedlung St.   Thomas ein, töteten und plünderten und erbeuteten schließlich nicht mehr als zwei Goldbarren. Raleigh kehrte fassungslos und
     gedemütigt nach Plymouth zurück, von wo man ihn nach London brachte und wenig später enthaupten ließ. Angeblich lauteten seine
     letzten Worte: «Es ist eine scharfe Medizin, doch wird sie jede Krankheit heilen.» Erst im Nachhinein stellte sich heraus,
     dass König Jakob vor allem Eindruck bei den Spaniern schinden wollte, was Raleigh natürlich verschwiegen worden war. Francis
     Stevenson sog all die Anekdoten über Raleigh begierig in sich auf und begründete damit eine lebenslange Vorliebe für Erzählungen
     von Abenteurern, Piraten und dem Leben auf hoher See. Natürlich sollte auch er selbst ein Leben als Abenteurer führen. Doch
     ehe es so weit war, musste er zunächst eine Anstellung finden.
    Nach zwei weiteren Tagen begegnete er einem Mann, derseinerseits jemanden kannte, welcher wiederum mit einem Kapitän bekannt war, der dringend Besatzungsmitglieder für sein Handelsschiff
     suchte. Er wollte am folgenden Tag in See stechen. Und so sicherte sich Francis, nachdem er dem Kapitän ein wenig Honig um
     den Bart geschmiert hatte, eine Anstellung als niederstes Mitglied der Besatzung. Trotz allem, was er seinem Kapitän erzählte,
     wusste er natürlich nicht das Geringste von der Seefahrerei, doch er konnte arbeiten und besaß das Talent, durch Anschauung
     zu lernen. Wenn das eigene Leben vom Wissen abhängt, lernt man zudem noch sehr viel leichter, und so erging es auch Francis,
     der an Bord des Schiffes rasch begriff, dass der richtige Knoten am rechten Fleck darüber entscheiden konnte, ob man über
     Bord ging oder bei einem Sturm oder einem Gefecht auf dem Schiff verblieb. Auf die Mühsal, die das offene Meer einem abverlangte,
     war er natürlich nicht vorbereitet; er wusste nicht, wie hart jede einzelne Überfahrt erkämpft war. Erst als sie bereits in
     See gestochen waren, erzählten ihm die anderen Besatzungsmitglieder davon, wie John Ford im Kampf mit Piraten ein Auge eingebüßt
     hatte und wie Stephen Falconer einmal bei Sturm über Bord gegangen und nur durch ein Fall gerettet worden war, in dem er sich
     verfangen hatte. Es war ein gefahrvolles Gewerbe, von dem nur die Unbarmherzigsten profitierten, und nur die Glücklichsten
     kamen mit dem Leben davon. Manchmal hörte Francis die Männer auch murren. Nachdem John Ford sein Auge verloren hatte, war
     er von den Kaufleuten nicht einmal dafür entschädigt worden. Wäre er auf einem Piratenschiff gewesen, erklärte er, so hätte
     er wenigstens hundert spanische Taler erhalten, wie es die Schiffsartikel vorsahen – eine Summe, die man auf mancher entlegenen
     Insel gut dafür verwenden konnte, sich Rum, Frauen und ein angenehmes, ausschweifendes Leben zu leisten.
    Francis Stevensons erste Reise war eine recht einfacheDurchquerung des Mittelmeers. Die ersten drei Tage litt er unter heftiger Seekrankheit, was wohl den hohen, aufgewühlten Wellen
     geschuldet war; doch dann fesselte das Leben an Bord seine Aufmerksamkeit. Da er (mit Ausnahme des Kapitäns und seiner Offiziere)
     als einziges Besatzungsmitglied lesen und schreiben konnte, wurde er gelegentlich hinzugezogen, um die Route zu ermitteln,
     und lernte dabei alles Notwendige über Sterne, Sextanten und Seekarten. Meist jedoch hing er frierend und

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