PopCo
wie der ganze Schrott heißt, weil wir keinen Fernseher hatten. Diese bescheuerte Nostalgie
wegen Sachen, die eigentlich gar nicht existiert haben. Das sind alles nur Bilder. Du weißt doch, was ich meine. Vor ein paar
Tagen hast du selbst noch gesagt, dass die ganze Welt aus Bildern besteht.»
«Stimmt. Aber ich bin trotzdem nicht deiner Meinung.» Er trinkt gelassen von seinem Tee.
«Wie bitte? Du glaubst also, das hat alles einen tieferen Sinn?»
«Ja, genau das glaube ich. Ich finde, es gibt keinen Unterschied zwischen einer Geschichte im Fernsehen und einer Geschichte
in einem Buch. Beide arbeiten mit Bildern, nur dass die kleinen Bildchen auf den Buchseiten, die Buchstaben, dannzu Wörtern werden und die Bilder aus dem Fernsehen rein visuell funktionieren. Aber du kannst mir doch nicht im Ernst erzählen,
dass es an und für sich besser ist, sich hinzusetzen und was zu lesen, als sich eine Geschichte auf dem Bildschirm anzuschauen.
Das ist arrogant.»
«Ist es nicht. Wann hast du zuletzt einen fünfzehnstündigen Fernsehfilm gesehen, der keine Werbepausen hatte und sich nicht
auf eine Sprache beschränkt, die selbst ein kleines Kind noch verstehen würde?»
«Was? Ich …»
«Oder einen Fernsehfilm, bei dem du die Rollen selbst besetzen kannst? Den Schauplatz selber aussuchen? Deine eigene Drehbuchversion
schreiben? Das machst du nämlich alles, wenn du ein Buch liest. Du musst dich ganz darauf einlassen. Du sitzt nicht einfach
nur passiv da …»
«Butler, du bist so ein Snob!»
«Nein. Und nur fürs Protokoll: Ich will gar nicht behaupten, dass Bücher grundsätzlich besser sind als Fernsehen. Ich weiß,
dass Bücher mir insgesamt lieber sind, aber trotzdem würde ich mir eher einen guten Film auf Video anschauen als einen schlechten
Roman lesen. Und manche Videospiele finde ich richtig toll. Aber das ist meine Entscheidung. Mich interessiert dabei nicht,
was die anderen machen …»
«Snob!»
«Dan!»
Er grinst. «Ja?»
«Ich hoffe, dir ist klar, dass du mich gerade auf die Palme bringst.»
«Ja, okay. Tut mir leid. Trotzdem bist du ein schrecklicher Snob.»
«Dan!»
«Ist ja schon gut.» Er wirft einem unsichtbaren Vogel seine Brotkruste hin. «Wie sind wir überhaupt darauf gekommen?»
«Du hast behauptet, ich wäre ein langweiliger Teenie gewesen.»
«Ach so, ja. Tut mir leid.»
«Und ich habe daraufhin gemeint, du hättest sicher auch nichts Interessanteres gemacht.»
«Stimmt. Ich habe mir nur ständig einen runtergeholt.»
«Iiih!»
«Und davon geträumt, Jagdflieger oder Astronaut zu werden.» Dan schenkt uns beiden Tee aus der Thermoskanne nach, und ich
drehe mir eine Zigarette. «Was hattest du denn in dem Alter für Phantasien?»
«Das Verhör geht also weiter.» Ich seufze. «Was für Phantasien meinst du? Erotische?»
«Du weißt ganz genau, dass ich die nicht meine.»
«Na gut. Die meisten jungen Mädchen träumen von Männern oder Jungs oder wie man das andere Geschlecht in dem Alter nennt.
Von Freunden, von der großen Liebe, vom Heiraten und Kinderkriegen … Oder auch von Freundschaften. Das ist alles ziemlich wichtig.»
«Und du hast dich auch für solche Sachen interessiert?»
«Nein. Gott bewahre.»
«Wovon hast du dann geträumt?»
«Hmm …»
«Dir muss man aber auch wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen.»
«Entschuldige. Ich habe dir ja schon gesagt, dass ich anders war. Also … ich hatte damals einfach ziemlich viele Sorgen. Du weißt ja, dass mein Vater abgehauen ist, als ich noch keine zehn war,
und darüber habe ich ziemlich viel nachgedacht. Mich gefragt, wo er ist, ob er jemals zurückkommt. Solche Sachen. Und ich
habe furchtbar viel gelesen, fast nur Erwachsenenbücher. Wenn man als Kind Literatur für Erwachsene liest, kriegt man eine
etwas schräge Sicht auf das Leben … Außerdemhabe ich über Matheprobleme nachgedacht und über Schach, und ich hatte alle möglichen seltsamen Rachephantasien. Einmal habe
ich angefangen, einen Plan auszuarbeiten, um die Weltherrschaft an mich zu reißen, aber das wurde dann doch zu kompliziert … Meistens habe ich einfach nur versucht, irgendwie Oberwasser zu behalten in dieser irre komplizierten Welt, wo man im einen
Moment noch total beliebt ist, und im nächsten fallen alle über dich her. Oder man wird vom ganz normalen Mädchen zur ‹Brillenschlange›,
wenn man das erste Mal mit Brille in die Schule kommt. Dabei war ich schon fast
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