PopCo
fünfzehn, als ich meine Brille bekam. Einmal
ist sie mir runtergefallen, und mein Großvater hat sie mit Klebeband repariert. Zum Glück hatte ich damals sowieso kaum Freunde,
denn wenn ich welche gehabt hätte, hätten sie an dem Tag garantiert kein Wort mit mir geredet.»
«Mir haben sie die Brille mal mit Heftpflaster zusammengeflickt», sagt Dan. «Meine Freundin hat mit mir Schluss gemacht, weil
ich so doof aussah. Da war ich ungefähr zwölf.» Er schaut ein bisschen traurig. «Dann trägst du jetzt Kontaktlinsen statt
Brille?»
«Ja. Aber vielleicht wechsele ich auch wieder zur Brille zurück. Von den Kontaktlinsen tun mir die Augen weh.»
«Oh, ich weiß, wo man supercoole Brillen kriegt …», fängt Dan an. Aber ich will gar keine supercoole Brille. Ein paar Sekunden lang ist mir irgendwie komisch zumute, als
müsste ich gleich anfangen zu heulen.
Supercoole Brillen
. Wozu denn? Ich will einfach nur eine preiswerte Brille, die ich mit Klebeband zusammenflicken kann, wenn sie runterfällt,
ohne dass gleich ein Stilbekenntnis daraus wird. Warum geht so was heute nicht mehr? Und was stimmt eigentlich nicht mit mir?
Im Grunde müsste ich doch auch hip sein wollen. Aber ich bringe es einfach nicht fertig.
Vor dem Nachmittagsvortrag müssen wir eine weitere Geheimhaltungserklärung unterschreiben.
«Wir wollen einfach vermeiden, dass die Ergebnisse an die Öffentlichkeit gelangen, bevor wir unsere Presseerklärung verschickt
haben», erklärt mir die Assistentin, als ich ihr das Blatt zurückgebe. «Vielen Dank.»
Den Vortrag hält ein gewisser David Furlong, der Leiter des
Markiert
-Forschungsteams. Er stellt sich kurz vor, erzählt ein paar Anekdötchen von den Missgeschicken bei der Datenerhebung (ein
Satz Fragebögen landete im Fluss, mit einer Mail wurde versehentlich ein hundsgemeiner Virus verschickt) und teilt uns dann
mit, dass er uns, Macs Wunsch gemäß, heute vor allem darüber informieren wird, was seine Studie über Mädchen im Teenageralter
ergeben hat. Nach ein paar Informationen über die Größe der Erhebungsgruppen und andere statistische Details beginnt er seinen
Vortrag.
«Furbies, Beanie Babies und Ihre eigene Hausmarke, Finbar’s Friends.» Er macht eine effektvolle Pause. «Was haben diese Produkte
gemeinsam? Wir haben festgestellt, dass sie bei einem sehr hohen Prozentsatz der jungen Mädchen in unserer Erhebungsgruppe
Gefühle von Liebe, Loyalität und Anerkennung hervorrufen.
Liebe
. Ein starkes Wort, doch es wurde von den Mädchen selbst auffallend oft benutzt. Ich lese Ihnen mal ein paar Kommentare vor.
‹Meine Beanie Babies liebe ich einfach.› ‹Wenn es bei uns brennen würde und ich nur eine Sache retten könnte, dann wäre das
mein Finbar.› ‹Wenn ich im Laden einen neuen Finbar sehe, muss ich einfach reingehen und ihn kaufen.› ‹Meine Sammlung ist
genauso groß wie die von meiner Freundin Marie, und irgendwie sind wir dadurch noch viel bessere Freundinnen.›»
Ich sitze neben Esther.
«Ich glaube, mir wird gleich schlecht», zischt sie mir zu.
«Mannomann!», flüstere ich zurück, und wir grinsen uns an.
David Furlong drückt einen Knopf an der kleinen Steuerkonsole, die er in der Hand hält, und auf dem Plasmabildschirm vor uns
erscheinen Bilder. Es sind einzelne Websites, die jeweils ein, zwei Sekunden lang gezeigt werden. Furlong spricht unterdessen
weiter.
«Hier sehen wir Fanseiten, die von Mädchen zu ihren Sammlungen erstellt wurden. Die meisten stammen von jungen Japanerinnen,
und – das wird Sie sicher freuen – im Regelfall sind sie den Finbar’s Friends gewidmet. Wenn man die Unterhaltungsindustrie
und die Pro-Ana-Websites – also Websites, die Magersucht propagieren – mal beiseitelässt, sind es solche Seiten, mit denen
junge Mädchen im Netz die größte Sichtbarkeit erzielen.» Er drückt einen weiteren Knopf, das Bild wechselt und zeigt ein schlicht
möbliertes Zimmer mit einem Bett darin. «Hier stimmt was nicht, oder? Wenn ich Ihnen jetzt erzählen würde, das sei das Zimmer
eines jungen Mädchens, würden Sie mir garantiert nicht glauben.» Stimmt: Das Zimmer ist ja völlig leer. «Wir haben unsere
Mädchen mit Hilfe diverser Erhebungsmethoden befragt, welche Dinge ihnen am wichtigsten sind. Auf der Grundlage ihrer Antworten
können wir dieses Zimmer jetzt ausstatten. Das Wichtigste sind natürlich Klamotten, an nächster Stelle kommt Musik.» Er drückt
einen Knopf, und
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