Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PopCo

PopCo

Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
Kannte er etwa meinen Großvater? Nein, das ist ja noch viel abwegiger. Was geht hier eigentlich vor?
     Hilfe!
    Das Wort «Ja» kommt aus meinem Robotermund. Ich bin so höflich, dass es mich fast umbringt. Eigentlich will ich im Moment
     mit niemandem reden, erst recht nicht mit Steve MacDonald. Eigentlich will ich nur eine Zigarette. Vielleicht auch einen Tee.
     Oder schlafen. Und vor allem will ich endlich diesen Koffer abstellen. Wenn das alles vorbei ist, nehme ich mir vor, dann
     werde ich mir eine Zigarette gönnen und eine Tasse Tee und meine Notfallschokolade (obwohl ich Schokolade eigentlich nicht
     besonders mag), ich werde durch mein Zimmer tanzen, wo immer das auch sein mag, ich werde lachen, Grimassen schneiden, tief
     durchatmen und feiern, dass ich diese Situation hinter mir habe.
    «Wenn du eine Sache bei PopCo ändern könntest», setzt Mac an, als wir wieder auf dem PopCo-Verkehrskreisel sind und nach links
     in einen anderen Kiesweg einbiegen, «was wäre das?»
    Ich bin viel zu müde für so was. Wenn ich etwas bei Pop-Co ändern dürfte, würde ich als Erstes sämtliche Marketingmenschen
     feuern (auch wenn wir inzwischen angeblich alle irgendwie fürs Marketing zuständig sind). Vielleicht wäre es auch eine gute
     Idee, endlich die vielen Produkte auf denMarkt zu bringen, die aufgrund von Fokusgruppentests gestoppt wurden, obwohl die beteiligten Kinder entweder zu jung oder
     zu alt oder einfach nur zu blöd für das jeweilige Produkt waren? Außerdem verwendet die Kaffeemaschine im «Chill-Out-Zimmer»
     im zweiten Stock des Büros in Battersea immer kochendes Wasser statt des heißen, aber nicht mehr sprudelnden Wassers, das
     man für guten Kaffee braucht. Es gibt nicht genügend Parkplätze. Unser Logo finde ich schrecklich. Und überhaupt finde ich
     alles schrecklich, was gerade in der Spielzeugbranche passiert. Ich finde es schrecklich, meine Produkte verflachen zu müssen
     – «zugänglich zu machen», wie die Marketingmenschen das nennen   –, um das Durchschnittskind anzusprechen, obwohl meine Marken sich doch ganz eindeutig an die Außenseiter richten. Ich würde
     gern ab sofort alle Teambesprechungen aussetzen, egal, mit welcher Bezeichnung sie sich tarnen, und ich würde gern fünfmal
     mehr verdienen als jetzt.
    Wir sind immer noch auf dem Kiesweg, und langsam bekomme ich eine Vorstellung davon, wie groß dieses Anwesen tatsächlich ist.
     Jetzt bleiben wir an einer kleinen Kreuzung stehen; rechts von uns liegen Tennisplätze, links ein Seitenflügel des Haupthauses.
     Geradeaus führt der Weg auf einen weiteren kleinen Kreisel zu. Rechts davon sind Stallungen zu sehen, während links ein weiterer
     Kiesweg abzweigt. Ich habe keine Ahnung, weshalb wir stehen geblieben sind, aber Mac scheint immer noch auf meine Antwort
     zu warten.
    «Sei ganz ehrlich», sagt er. «Du brauchst nicht zu versuchen, mich zu beeindrucken.»
    «Na gut», antworte ich brüsk und sehe ihm kurz in die Augen, ehe ich den Blick auf die Stallungen richte. «Ich fände es schön,
     wenn wir weniger Verpackungsmaterial verwenden könnten, und ich fände es auch schön, wenn unsere Marketingaktionen nicht so
     viel Plastik verschlingen würden, das nachhernur weggeschmissen wird.» Ich sehe ihm an, dass er etwas anderes erwartet hat, obwohl sich auch PopCo inzwischen alle möglichen
     ökologischen Ziele auf die Fahne schreibt. «Und ich würde gern mehr Risiken eingehen dürfen», setze ich noch hinzu. Ob ihm
     das besser gefällt? Klar. Er ist schließlich CEO, da redet man immer gern von Risiken und Gefahren, vor allem heute, wo es
     praktisch unmöglich ist, etwas ohne die Genehmigung des Aufsichtsrates zu tun, ohne Netz und doppelten Boden. «Ich würde es
     gern sehen, wenn wir   … na ja   … etwas autonomer sein könnten   …»
    «Es stört dich also, dass alles so bürokratisch ist», unterbricht mich Mac, und ich nicke. «Hm. Interessant.» Er sucht meinen
     Blick. «Ich denke, du wirst diese Tagung   … pardon   … dieses
Event
noch sehr spannend finden. Wobei ich die Bürokratie insofern in Schutz nehmen muss, als ihr Kreativen doch hin und wieder
     vergesst, was es heutzutage kostet, ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. Vielleicht möchten wir eigentlich alle mehr
     Risiken eingehen.» Seine Augen blitzen kurz auf und erlöschen dann wieder, wie zwei Sternschnuppen. War das jetzt eine Anerkennung
     oder eine Art Abmahnung? Ich kann es nicht genau sagen. Mac zieht einen

Weitere Kostenlose Bücher