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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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so klapprigen Eindruck, dass mir das gar nicht so
     abwegig erscheint), müssten sie uns dann eine andere Lehrerin suchen, deren Name mit P anfängt? Oder würden sie einfach die
     Klasse umbenennen?
    Meine Schuluniform besteht aus einem dunkelblauen, ausgestellten Rock, der knapp unterm Knie endet, einer weißen Bluse, einem
     hellblauen Pulli und einer Krawatte mit hellblauen und gelben Streifen. Ab dem dritten Jahr darf man einen dunkelblauen Pulli
     tragen. Das kann ich jetzt schon kaum erwarten! Die meisten Mädchen in meiner Klasse sehen so aus wie ich, unsicher und etwas
     verloren. Aber es gibt auch ein paar Mädchen, die offenbar mehr wissen als die anderen. Statt langer Röcke bis zum Knie tragen
     sie kurze Faltenröckchen. Außerdem haben sie duftende Radiergummis, die sie offenbar alle sammeln, Lipgloss mit Fruchtgeschmack,
     das sie auch sammeln, Federmäppchen, die aussehen wie Stofftiere oder Schokoriegel, und statt der immer etwas zu engen, kratzigen
     Pullover für die Elf- bis Zwölfjährigen, die wir anderen anhaben, tragen sie weite hellblaue Pullis. Woher wissen sie das
     bloß? Kannten sie sich etwa schon, bevor sie hierher auf die Schule gekommen sind? Ich bin mir ganz sicher, dass Emma, die
     mit mir auf der Grundschule war, keins von den Mädchen, mit denen sie jetzt herumzieht, vorher kannte – daran kann es also
     nicht liegen. Vielleicht kommt man ja schon so zur Welt, mit einem elitären Gespür für Mode, einem Beliebtheitsgen und dem
     Wissen, wo man all die Sachen, die man dafür braucht, kaufen kann.
    In der ersten Woche passiert mir all das, was meine Großeltern schon vorausgesagt haben. Ich verliere meinen Füller und finde
     ihn wundersamerweise wieder. Ich kann die Klassenzimmernicht finden, die ich sorgfältig in die dafür vorgesehenen Kästchen meines Stundenplans eingetragen habe. Aber ich lerne auch
     viele Dinge, vor denen meine Großeltern mich nicht gewarnt haben. Beispielsweise, dass man niemanden nach dem Weg fragen darf,
     weil man dann unweigerlich ganz woanders hingeschickt wird. Im Ernst. Diese Schule ist der lebende Beweis für alle Lügnerparadoxa,
     die man sich denken kann.
Vor dir stehen zwei Schüler der Groveswood-Schule. Der eine lügt grundsätzlich, der andere sagt immer die Wahrheit. Du bist
     auf der Suche nach dem Klassenzimmer, wo du gleich Mathe hast, und darfst einem der beiden genau eine Frage stellen. Was tust
     du?
Die Antwort liegt natürlich auf der Hand: Man fragt einen von beiden, was der andere einem sagen würde, und macht dann genau
     das Gegenteil. In Wahrheit gibt es aber auf der ganzen Groveswood-Schule nicht einen Schüler, der immer die Wahrheit sagen
     würde, also sieht man lieber zu, dass man sein Klassenzimmer allein findet. Ein Lageplan der Schule ist nicht zu bekommen.
     Stattdessen muss man selber herausfinden, dass Zimmer 401, wo Englisch unterrichtet wird, zwar im obersten Stock der Schule
     liegt, aber keineswegs direkt neben Zimmer 400, das sich schließlich als Pavillon im Fachbereich Landwirtschaft entpuppt.
     Der Fachbereich Landwirtschaft wiederum ist ein Acker neben dem Pausenhof.
    Das Zimmer, wo wir mittwochs Mathe haben, liegt im dritten Stock, gleich neben dem Sprachlabor. Obwohl es schon die zweite
     Schulwoche ist, hatte ich bisher noch keine richtige Mathestunde. In der Woche zuvor ist die Stunde einer «Einführung» zum
     Opfer gefallen, bei der wir unsere Lehrer kennenlernten, erklärt bekamen, wie man die Bibliothek benutzt, und noch einiges
     mehr erfuhren. Dienstags haben wir Französisch im dritten Stock, ich weiß also zum Glück schon, wo ich hinmuss. Auf dem Gang
     befindet sich sonst nicht viel, das Licht funktioniert nicht, und da es nur ein nicht gerade sauberes Fenstergibt, ist es da oben ziemlich düster. Wenn ich bloß jemanden hätte, mit dem ich zu den Stunden gehen kann! Bisher habe ich
     in meiner Klasse noch keine Freunde gefunden. Immerhin weiß ich inzwischen, dass der Trick beim Freundefinden ist, sich jemanden
     zu suchen, der möglichst genauso ist wie man selbst, und mit dem darüber zu reden, wie schrecklich man alle anderen findet.
     Wenn alles nach Plan läuft, besucht man sich irgendwann gegenseitig nach der Schule und darf zum Abendessen bleiben. Etwa
     einen halben Tag lang hatte ich ein Mädchen namens Becki im Auge, musste dann aber feststellen, dass sie doch zu blöd ist.
     Was wirklich schade ist: In allen anderen Punkten wäre sie nämlich perfekt. Sie hat keine Ohrlöcher

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