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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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und trägt einen langen
     Rock, genau wie ich. Außerdem habe ich gehört, dass ihre Eltern geschieden sind, was hier an der Schule fast genauso schlimm
     ist, wie gar keine Eltern zu haben. Becki hat auch immer ein Pausenbrot dabei wie ich und geht nicht zum Schulessen. Aber
     sie ist einfach blöd.
    Deshalb gehe ich jetzt allein zur Mathestunde. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass Mathe mein Lieblingsfach wird, doch
     hier ist eben alles anders.
    «Also», sagt Mr.   Morgan, der Mathelehrer. «Willkommen, ihr kleinen Menschen aus dem ersten Jahr.» . (So weit, so gut. Bisher wirkt er nicht bedeutend verrückter als alle anderen Lehrer auch.) «In meinem Unterricht wird nicht
     geschwatzt, nicht gelacht, kein Kaugummi gekaut, nicht gegessen, nicht getrunken, es werden keine Briefchen geschrieben und
     keine Haare gebürstet, es wird nicht gefurzt und nicht geschmust   …» Wir kichern etwas verlegen. Manche Lehrer sagen «schmusen», wenn sie «knutschen» meinen. Danach sind hier an der Schule
     anscheinend alle ganz verrückt; aber doch nicht im ersten Jahr! Für so was sind wir doch noch viel zu jung. Morgan redet bereits
     weiter: «Schmusen im Klassenzimmer wird nur aus dem einen Grund überhaupt zum Problem, weil Jungen undMädchen gemeinsam unterrichtet werden. Hätte ich an dieser Schule das Sagen, dann würden sich beide Gruppen allenfalls aus
     der Ferne sehen. Weiber – ihr müsst entschuldigen, Mädchen   –, aber Weiber bringen alles durcheinander. Wenn es nach mir ginge, hättet ihr jetzt gerade eine Doppelstunde Hauswirtschaft.
     Wir rechnen hier, und ihr backt uns währenddessen einen Kuchen. Ich persönlich kann daran wirklich nichts falsch finden. Hahaha   …» Er lacht, und wir mustern ihn verdutzt.
    Ich sitze neben Emma, die sich jetzt meldet.
    «Das ist aber sexistisch, Sir», sagt sie waghalsig, und die anderen Mädchen aus ihrer Clique murmeln beifällig.
    «Etwas gepflegter Sexismus am rechten Ort hat noch keinem geschadet», gibt Morgan zurück. «Bevor wir mit der Stunde beginnen,
     sollte ich noch den Schachclub erwähnen. Wir treffen uns mittwochs während der Mittagspause in der Bibliothek. Die Computer-AG
     findet donnerstags nach Unterrichtsschluss statt. Alles notiert? Spitzenmäßig. Dann wollen wir mal. Bruchaddition.»
    Als er sich zur Tafel dreht, wechseln Emma und ich einen Blick. Sie kritzelt eine Nachricht für mich auf ein Blatt Papier:
Was für ein Arsch!
Gerade als sie mir das Blatt hinschiebt, dreht sich Motzmann, wie ich ihn insgeheim bereits nenne, wieder um und seufzt entnervt.
    «
Mädchen
. Ich sage ja, ihr macht nur Ärger. Das ist immer so mit Mädchen. Her mit dem Brief.»
    Er sieht Emma und mich an.
    «Was für ein Brief?», fragt sie.
    «Ich habe keinen Brief gesehen», sage ich.
    «Na gut. Dann raus mit euch beiden.»
    Ich bin noch nie im Unterricht vor die Tür geschickt worden. Wäre ich allein, würde ich jetzt hundertprozentig losheulen,
     aber das geht natürlich nicht. Emma ist ja da.
    «Danke, dass du mich nicht verpetzt hast», sagt sie.
    «Schon gut», erwidere ich verlegen.
    «Willst du heute Mittag ein bisschen mit uns rumhängen?», fragt sie.
    «Wir» – das sind die ganzen tollen Mädchen mit den Faltenröckchen und dem Lipgloss. Mannomann!
    «Ja», antworte ich, obwohl ich eigentlich gern beim Schachclub vorbeigeschaut hätte. Danach fällt mir nichts mehr ein, was
     ich noch sagen könnte. Ich lehne mich im dunklen Flur an die Wand und überlege, was ich sie fragen könnte; vielleicht, ob
     sie glaubt, dass es hier Gespenster gibt? Aber so was kann man eigentlich nicht sagen. Gespenster sind viel zu babyhaft. Zu
     Hause lesen natürlich alle Bücher über Hexen und Gespenster und tapfere Kindercliquen, aber das ist ja auch zu Hause. Die
     Schule ist das komplette Gegenteil von zu Hause, und was man am einen Ort tut, kann man sich am anderen noch lange nicht erlauben.
    An dieser Schule gibt es viel mehr Regeln als an meiner alten. Sonderregelungen, die nicht von der Direktorin oder den Lehrern
     festgelegt werden, sondern von den Schülern selbst. Und das beschränkt sich nicht nur darauf, dass man nicht über Gespenster
     und andere Babythemen reden darf. Als Mädchen darf man beispielsweise auch nicht mit Jungs reden. Auf gar keinen Fall. Wenn
     man einen Jungen anspricht (das weiß ich, weil ich den Fehler gemacht habe, einmal «Hallo» zu Alex zu sagen), wird er rot,
     und seine Freunde lachen und johlen und machen so komische

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