PopCo
Nachzügler sind
zwei Leute hinter uns, die ich noch nie gesehen habe. Während uns eine Assistentin mit blauem Overall und Headset an den letzten
freien Tisch führt, überlege ich, wo die beidenwohl herkommen. Die Frau hat langes, hellbraunes Haar, trägt ein braunes Shiftkleid und Ohrringe aus dunkelbraunen Federn.
Der Typ ist ganz in schwarze Baumwolle gekleidet, vielleicht auch Hanf: Armeehose, kurzärmeliges Hemd. Ob sie aus Berkshire
sind? Er hat drei Kulis in der Brusttasche, einen grünen, einen roten und einen blauen, und trägt eine Brille mit schwarzem
Gestell. Als wir uns setzen, treffen sich kurz unsere Blicke, und einen Moment lang deute ich seine Miene falsch und denke,
dass er mich ansprechen will. Ich öffne mein Gesicht, lächele ein wenig, doch er schaut wieder weg und sagt stattdessen etwas
zu der braunhaarigen Frau. Die Verbindung, falls es überhaupt eine gab, ist wieder unterbrochen.
Kaum sitzen wir, setzt auch schon die Musik ein.
«Oh Gott. Bitte nicht», stöhnt Dan.
Es ist eine seltsame, betont muntere Melodie, die ich noch nie gehört habe. Oder vielleicht doch? Ich weiß es nicht genau.
«Was ist das?», frage ich Dan.
«Wie, das kennst du nicht? Ach ja, klar, dein Fernseh-Ding. Du Glückliche!»
Mein «Fernseh-Ding» besteht darin, dass ich ohne Fernseher aufgewachsen bin. Inzwischen habe ich zwar einen, benutze ihn aber
eigentlich nur für Videofilme und Videospiele. Es muss sich dann wohl um die Titelmelodie zu irgendeiner Fernsehsendung handeln.
Ich schaue zum D J-Pult hinüber, um zu sehen, wer für die Musik verantwortlich ist. Dann gebe ich Dan einen Schubs, aber er hat es schon selbst bemerkt.
«Ach so», sagt er. «Georges. Hätte ich mir ja auch denken können.»
Georges Celéri ist Creative Director bei PopCo. Er ist der firmeneigene Wirbelwind, vielleicht auch eher der Poltergeist.
Der PopCo-Clown, der Mann, dem das Spielzeug tatsächlich mehr am Herzen liegt als das Geschäft – und auch der Mannhinter den ökologischen Zielen. Wir kennen ihn als Versender allwöchentlicher Firmenrundmails, die häufig mit riesigen JPE G-Anhängen und unpassenden Witzchen garniert sind. Außerdem ist er derjenige von unseren Vorgesetzten, der am häufigsten unangemeldet
im Büro auftaucht, um «mal nachzuschauen, was ihr so treibt» und dann das ganze Team zum Abendessen und anschließend in ein
Striplokal auszuführen. Er ist entweder Franzose und in Japan aufgewachsen oder umgekehrt. Das habe ich vergessen. Er sieht
ein bisschen japanisch aus, geht auf die vierzig zu und hat einen guten Haarschnitt. Und genau wie Mac spricht auch er mit
einem Akzent, der irgendwo mitten im Atlantik gestrandet zu sein scheint.
«Willkommen in der Schulküche!», ruft Georges jetzt ins Mikrophon. Ich sehe, dass Mac neben ihm steht, lachend, ein Glas Wein
in der Hand. «Also, ihr Lieben … Ich begrüße euch sehr herzlich zu unserem PopCo-Open-World-Event. Trinkt nicht zu viel zum Mittagessen, wir haben heute
Nachmittag noch einiges mit euch vor. Ja, genau: Der Vortrag des CEO und anschließend Sport und Spiel! Wir treffen uns alle
um vier vor der Sporthalle. Bringt bitte geeignete Kleidung zum Rumtoben mit. Das Motto unserer Tagung … pardon … unseres
Events
lautet: Wir wollen wieder mehr wie die Kinder werden. Vergesst also einfach mal, dass es Arbeit ist. Wir sind PopCo! Wir haben
Spaß!»
Mac nimmt Georges das Mikrophon ab. «Ja, auch von mir herzlich willkommen. Und guten Appetit!» Mehr sagt er nicht, und danach
setzen sich beide zu den anderen Managern, Führungskräften und persönlichen Assistenten an die Tische auf dem Podium. Ein
paar Leute klatschen. Als das merkwürdig muntere Stück zu Ende ist, übernimmt ein Vasall mit Headset das D J-Pult , legt ein aktuelles Pop-Album auf und drosselt die Lautstärke. Ich sehe zwei Flaschen Wein auf unserem Tisch: eine mit Rot-,
die andere mit Weißwein. Dan hat unsere Gläserbereits mit Rotwein gefüllt, und ich leere meines fast in einem Zug.
«Das war nötig», sage ich. Ich finde das alles hier jetzt schon unerträglich. Der Typ in Schwarz schaut finster zu uns herüber,
wahrscheinlich, weil wir den Rotwein mit Beschlag belegt haben. Er gießt sich und seiner Begleiterin Weißwein ein und rümpft
dabei ganz leicht die Nase.
Während Dan die Krusten meines Sandwichs verzehrt, erzähle ich ihm von meinem «Ideenfindungsabenteuer», das darin bestand,
die letzten zwei Wochen barfuß
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