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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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ist. Unter den Personalern im Londoner Bankenviertel soll es gerade in letzter
     Zeit schick gewesen sein, das Heißluftballonspiel durch einen Einwegspiegel zu beobachten und auf dieser Grundlage zu entscheiden,
     wen sie entlassen wollen. Aber das ist wohl eher ein Großstadtmärchen.
    Und übrigens nicht einmal der schlimmste Einsatz von Einwegspiegeln, von dem ich je gehört habe. Den hat PopCo selbst zu verantworten.
     Es ging um eine Fokusgruppe aus sechsjährigen Mädchen, die eine neue Kosmetikpalette für Kinder testen sollten. Soweit ich
     weiß, fühlte sich außer mir niemand unangenehm berührt angesichts der Vorstellung, dass eine Gruppe aus Führungskräften und
     Marketingmitarbeitern ausnächster Nähe zuschaut, wie die kleinen Mädchen die verspiegelte Seite der Beobachtungsvorrichtung dazu nutzen, sich mit Lippenstift
     und Lidschatten anzumalen. Hier bei uns kam das Produkt übrigens nie auf den Markt, aber in den USA läuft es prächtig. Vielleicht
     haben andere das ja genauso empfunden wie ich und nur nichts gesagt. Machen wir uns nichts vor: Gesagt habe ich auch nichts.
     Ich hätte gar nicht gewusst, was ich sagen soll.
    Die Spielzeug-, Bekleidungs-, Fastfood- und Musikbranchen sind bekannt dafür, immer die allerneuesten Techniken zur Ideenfindung
     und -entwicklung einzusetzen. Viele haben Einrichtungen, die sie «Ideenlabor» oder «Think Tank» nennen. McDonald’s soll in der Nähe von Chicago
     ein sogenanntes «Zentrales Innovationszentrum» unterhalten, wo mit verschiedenen Möglichkeiten experimentiert wird, die Aufmerksamkeit
     der Kunden beim Warten vor dem Verkaufstresen zu kanalisieren, das Essen zu servieren und zuzubereiten und so weiter und so
     fort. Bei Levi’s sind Unmengen von Trendscouts im Einsatz, und die Mitarbeiter verbringen viel Zeit in «Infodepots», einer
     Art Brainstorming-Sessions. In diesen Branchen steht eine gute Idee, die auch noch gut läuft, für Milliardenumsätze, glückliche
     Aktionäre, weltweite Markenwiedererkennung und Erfolg. Deshalb gibt es auch so viele Firmen, die einfach nur Ideen verkaufen.
    Bei PopCo kauft man allerdings keine Ideen. In letzter Zeit geht der Trend dahin, die Ideenentwicklung im Haus und bis zu
     einem gewissen Grad auch intuitiv zu halten. Wir sollen immer topaktuell sein, ohne irgendwelche Ideenagenturen zu beauftragen.
     Das ist Teil von Georges’ komplizierter, wortreicher Kreativitätsphilosophie. So kam es beispielsweise auch zu meiner zweiwöchigen
     bezahlten Abwesenheit. Ich habe ganz für mich allein recherchiert, mit dem Erfolg, dass mich dieses Arbeitsumfeld jetzt völlig
     fertigmacht. Ich hatte schon ganzvergessen, wie viel Kraft es kostet, einfach nur bei der Arbeit zu sein und mit anderen Menschen in Interaktion zu treten.
     Und außerdem habe ich keine Sportsachen dabei. Diese Abteilungsrundmail muss ich wohl verpasst haben.

KAPITEL FÜNF
    Wie sich herausstellt, hat so ziemlich niemand Sportklamotten dabei, weil die zurzeit nicht einmal ansatzweise hip sind und
     sämtliche Event-Verantwortlichen offenbar versäumt haben, uns rechtzeitig per Mail zu informieren, dass wir welche brauchen.
     Eine Isländerin behauptet zwar, zwei Trainingsanzüge dabeizuhaben, doch trotz ihres großzügigen Angebots, einen davon zu verleihen,
     stehen immer noch rund hundertachtundneunzig von uns ohne da. Ich weiß ja nicht, wie andere Branchen mit so einem Problem
     umgehen, doch als wir auf dem Weg zum Großen Saal sind, um uns Macs Rede anzuhören, schwirrt schon überall das Gerücht herum,
     «die» . (wer sind «die» eigentlich? Die PopCo-Funktionäre? Ihre Lakaien?) hätten bereits zweihundert Trainingsanzüge geordert, die
     rechtzeitig bis vier Uhr nachmittags geliefert würden.
    Der Große Saal befindet sich im hinteren Teil des Haupthauses: ein gewaltiger Raum mit hohen Decken, der für mein laienhaftes
     Auge einigermaßen mittelalterlich aussieht. Beim Hereinkommen werfe ich Dan einen Blick zu, der anfangs etwas Richtung
Wow, ist ja irre!
ausdrücken soll, um dann in
Falls du versuchen solltest, mit den Wänden eins zu werden, tue ich, als würde ich dich nicht kennen
umzuschlagen. Ich weiß nicht, wie viel davon sich tatsächlich über einen Blick kommunizieren lässt, und Dan grinst einfach
     nur, lässt aber immerhin die Finger von den Wänden.
    In der Mitte des Saales stehen mehrere Reihen Holzstühle, außerdem gibt es weitere Plätze oben auf einer Galerie («Der Olymp!»,
     zischt Dan, als er das sieht,

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