PopCo

Wänden», sagt Esther.
    «Ein Drahtlosnetzwerk», erläutert Ben. «Das ganze Anwesen hier hat W-LAN. Du kannst in jedem Zimmer dein Notebook einschalten
     und hast sofort Internetzugang. Ziemlich coole Sache, muss ich sagen. Ich wünschte, ich hätte mein Notebook auch hier.»
    «Das ist die Zukunft», sagt Esther. «Und sie hat sogar schon angefangen.» Sie lacht. «Na dann, viel Spaß damit. Tee, Ben?»
    Und sie lassen mich mit dem Notebook allein.
    Zu Hause brauche ich eine halbe Ewigkeit, um mich überhaupt einzuloggen, und dann noch jeweils mindestens zwanzig Sekunden,
     um die einzelnen Seiten zu laden. Mit dem Gerät hier geht das alles im Handumdrehen. Meine Lieblings-Website für Homöopathie
     ist französisch, hat aber einen englischen Teil. Sie macht alle wichtigen Fachbücher und die gesamte
Materia Medica
elektronisch zugänglich. Wenn man sich das alles kaufen würde, wäre man Hunderte von Pfund los und hätte anschließend meterweise
     dicke Bände im Regal stehen. Ich klicke auf Kents Repertorium und schlage meine Symptome nach. Unter
Gesellschaft, Verlangen nach
und
Krankheit, Angst vor drohender
finden sich diverse Medikamente in verschiedenen Abstufungen, doch bei beiden stehen
Kalium carbonicum
und
Phosphorus
ganz oben. Unter
Berührung, Angst vor
finden sich nur fünf Mittel:
Arnica, Coffea, Kalium carbonicum, Lachesis
und
Tellurium
.
    Träume von Vögeln
. Ich schlage unter
Schlaf, Träume
nach, werde aber nicht fündig. Das passiert einem mit dem Repertorium hin und wieder. Das, was man sucht, findet man nicht
     immer dort, wo man es erwartet. In einem solchen Fall muss man etwas erfinderischer sein. Ich bin überzeugt, irgendwann schon
     mal etwas über Vögel gelesen zu haben; und wenn ich glaube, Einträge zu kennen, ohne mich an den genauen Fundort zu erinnern,
     stehen sie meist im Kapitel
Gemüt, wahnhafte Vorstellungen
, in dem ich häufig einfach nur zum Spaß schmökere. Oft sind die Einträge wie kleine Gedichte.
Wahn, Chorgesang, sich in einer Kirche meinen bei Erklingen von. Wahn, Existenz, Zweifel an der eigenen
. Ich liebe die Wahnvorstellungen. Bestimmt finde ich da auch etwas über Vögel. Ich klicke mich durch die Seiten, bis ich
     es habe.
Wahn, Vögel, Sichten von
. Sichten von Vögeln. Ist das dasselbe wie Träume von Vögeln? Egal. Wenn Vögel das entscheidende Thema sind, muss man sie
     nehmen, wo immer man sie finden kann. Ich notiere mir die unter dieser Rubrik angegebenen Mittel:
Belladonna, Kalium carbonicum
und
Lac caninum
.
    Beim Gegenchecken mit den allgemeinen Symptomen   – Kälte, Wärme und so weiter – und dem Kapitel
Magen
, das die Vorlieben und Abneigungen enthält, ist unter allen wichtigen Rubriken
Kalium carbonicum
aufgeführt, außer unter
Salz, Verlangen
nach
. Dort finde ich allerdings
Phosphorus
und natürlich homöopathisches Salz,
Natrium muriaticum
. Doch die meisten meiner Symptome verlangen nach
Kalium carbonicum
, selbst die besonders seltsamen (das mit den Vögeln beispielsweise). Das brauche ich, da bin ich mir sicher.
    Ich gebe die Adresse der homöopathischen Online-Apotheke, die ich am liebsten mag, in den Browser ein und gelange gleich auf
     die entsprechende Seite. Ich klicke mich zu K durch, wähle
Kalium carbonicum
in den Potenzen 200C und 1M aus und lege es in meinen virtuellen Einkaufswagen. Dann gehe ich, ganz begeistert von meinem
     «Einkaufsbummel», auf die P-Seite und füge noch
Phosphorus
in denselben Potenzen hinzu, für den Fall, dass das
Kalium carbonicum
nicht wirken sollte. Anschließend bestelle ich mir noch eine schöne pflanzliche Handcreme, um mich insgesamt etwas besser
     zu fühlen, gehe zur «Kasse» und gebe meine Kreditkartennummer ein (die ich aufgrund meiner Vorliebe für lange Zahlen auswendig
     kann). Blablabla. Klickklickklick. Oh. Die Lieferadresse. Ich zögere kurz und schreibe dann
Hare Hall
(fast hätte ich «PopCo Towers» geschrieben),
Zimmer
23
, Ostflügel, Dartmoor, Devon
in das Feld. Das wird ja wohl genügen, oder? Vielleicht aber auch nicht. Irgendwie schwant mir, dass die Zeiten, als man einfach
     das Wohnhaus eines Freundes mit Pfeil auf die richtige Wohnung und das Pub nebenan auf den Umschlag zeichnen, den Namen der
     Stadt dazuschreiben konnte und der Briefträger dann schon Bescheid wusste, womöglich vorbei sind.
    Während ich noch überlege, ob ich auf «Bestellung abschicken» klicken soll, kommen Ben und Esther zurück. Ben trägt ein Tablett
     mit einer Teekanne und drei