PopCo
meinen Aufsatz geschrieben und mir ein A- dafür gegeben. Ich mag Mrs. Germain viel lieber als die anderen Lehrer.
Den Rest der Woche verbringe ich damit, Pläne zu schmieden, wie ich an einen neuen Rock kommen kann. Ich habe mich tatsächlich
getraut, Emma zu fragen, was ihr Rock gekostet hat, nachdem ich zwei Tage dafür gebraucht habe, die Frage zu formulieren.
Schließlich wusste ich ja nicht, ob ich mich damit zum «Asi» mache. Aber jetzt weiß ich, dass diese Röcke sechs Pfund neunundneunzig
kosten. Außerdem brauche ich so eine dicke schwarze Strumpfhose, wie sie Tanya und Emma an kalten Tagen tragen. Bis Samstag
werde ich wohl genug Geld für beides zusammenhaben, dann bleibt aber immer noch das Problem, wie ich in die Stadt kommen soll,
ohne dass meine Großeltern etwas merken. Ich weiß, dass die anderen fast jeden Samstag in die Stadt gehen. Einmal haben sie
mich gefragt, ob ich mitkomme, aber ich musste sagen, dass ich zu weit weg wohne, und seitdem haben sie nicht mehr gefragt.
«Ich wünschte, ich könnte am Samstag mit euch in die Stadt», sage ich am Donnerstag zu Emma. «Zu Hause ist es immer so öde.»
«Komm doch einfach morgen zum Abendessen und schlaf bei mir», sagt sie. «Dann können wir am Samstag zusammen in die Stadt
gehen. Das wird super.»
Das ist eine geradezu geniale Idee von Emma, wobei ichnicht behaupten kann, dass sie mir nicht auch schon gekommen wäre.
«Erlaubt das denn deine Mutter?», frage ich.
«Klar, ganz bestimmt. Am besten gibst du mir eure Telefonnummer, dann sage ich ihr, sie soll deine Mutter anrufen und mit
ihr sprechen.»
Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich ein Stück Papier von meinem Block abreiße. «Ich wohne im Moment bei meinen Großeltern»,
sage ich ganz beiläufig. «Sie muss also mit ihnen reden.» Mein Leben ist inzwischen ein einziges Lügengebäude. Aber wenigstens
habe ich keine Angst mehr allein im Dunkeln. Ich muss mir um so viele andere Sachen Sorgen machen, dass diese Angst aus mir
herausgequetscht wurde wie das letzte Restchen Zahnpasta aus einer alten Tube.
Emma und ich haben Pläne. Wir wollen am Samstag ganz früh aufstehen und lange vor den anderen in der Stadt sein. Dann werden
wir einen Rock und eine Strumpfhose für mich in dem Laden kaufen, den Emma kennt, und anschließend gehen wir zu den anderen
und hängen mit ihnen rum. Ich muss zwar in Kauf nehmen, danach den ganzen Tag mit einer peinlichen Plastiktüte rumzulaufen,
aber es wäre mir noch viel peinlicher, meinen Rock mit der ganzen Clique kaufen zu gehen.
Die Vorbereitungen für dieses Unternehmen sind so kompliziert, dass ich am Donnerstagabend keine Zeit für die Hausaufgaben
finde und mir vornehme, am Wochenende nachzuarbeiten. Ich durchforste meinen gesamten Kleiderschrank nach etwas Brauchbarem,
das ich am Samstag in die Stadt anziehen könnte, finde aber nichts. Natürlich weiß ich nicht, was die anderen außerhalb der
Schule tragen, aber ich kann wohl davon ausgehen, dass ich sowieso nichts Passendes hätte. Soll ich einfach irgendwas mitnehmen,
oder soll ich so tun, als hätte ich vergessen, Kleider einzupacken? Ob Emma mirdann etwas leiht? Falls nicht, muss ich sowieso wieder nach Hause fahren, denn ich kann unmöglich in der Schuluniform in die
Stadt gehen. Bin ich komisch oder ein Asi, wenn ich geliehene Kleidung trage? Keine Ahnung. Aber es ist immer noch besser,
Emma beschimpft mich fünf Minuten lang als Asi, als dass sich die anderen den ganzen Tag in der Stadt über mich lustig machen.
Ich beschließe, das Risiko einzugehen.
Als Emma und ich in der Pause am Freitagnachmittag zufällig allein sind, nutze ich die Gelegenheit. Ich schlage mir an die
Stirn und tue so, als wäre mir gerade etwas eingefallen.
«Ach du großer Mist», sage ich.
«Was denn?», fragt Emma.
«Ich habe keine anderen Klamotten für morgen eingepackt.»
Emma lacht. «Was bist du nur für ein Schussel, Alice. Aber das macht nichts. Du kannst was von mir kriegen. Ich tausche ständig
Kleider mit meiner Schwester.»
Mein Herz jubiliert.
Der Rockladen liegt in einem Stadtviertel, in dem ich bisher nicht besonders oft war, ganz in der Nähe der Mill Road. Im Erdgeschoss
hängen die Armeeklamotten, die unter älteren Jugendlichen gerade in sind: Armeehosen, Armeestiefel, tarngrüne T-Shirts . Es ist dämmrig im Laden, und der Mann hinter der Theke grinst anzüglich, als wir eintreten.
«Hallo, Mädels», begrüßt er
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