PopCo
irgendwas zuflüstern und
damit jede Menge Ärger heraufbeschwören. Aber wenn man einmal draußen ist, ist man nur noch die blöde Tussi, die irgendwelche
Gerüchte verbreitet, weil sie neidisch ist. Trotzdem ist meine Position in dieser Clique unhaltbar. Ich kann mich einfach
nicht an all die Regeln und Konventionen halten, ich kann mir nicht alles kaufen, was man haben muss. Und ehe ich geschubst
werde, springe ich lieber selber. Es wäre alles viel leichter, wenn ich nicht mehr auf dieser Schule sein müsste. Aber wie
soll ich meinen Großeltern erklären, dass ich die Schule wechseln will?
Deshalb stehe ich jetzt in der Aula, anstatt draußen im Pavillon zu hocken. Ich stelle fest, dass die Jungs alle hier essen
und Riesenportionen Hamburger, Fischstäbchen, Fritten und Bohnen in sich hineinstopfen. Sie brauchen sich keine Sorgen zu
machen, ob jemand sieht, dass sie so was essen. Jedenfalls stehe ich (Katastrophe!) ganz allein in der Schlange, als die beliebten
Jungs aus meinem Schuljahr hereinkommen: Michael, Aaron und die ganze Blase. Hinter mir stehen etwa zwanzig Leute, vor mir
nur zwei. Die Jungs hüpfen alle auf mich zu wie zu groß geratene Kaninchen.
«Lass uns mal vor, Butler», sagt Michael und drängt sich vor mich in die Schlange.
«Ja, danke, Butler», sagt ein anderer Junge, der Mark heißt.
Aaron wirft mir einen leicht verlegenen Blick zu und drängt sich auch dazwischen. Wahrscheinlich ist es das letzte Mal, dass
sie noch halbwegs freundlich mit mir reden, aber wen interessiert das? Mich, klar. Aber was soll ich machen? Ich kann mir
meine Rüstung einfach nicht mehr leisten. Ich denke an Roxy, die sich aus solchen Sachen nie etwas gemacht hat. Kann ich mich
vielleicht irgendwie roxyfizieren? Habe ich den Mut dazu?
«Warum bist du überhaupt hier?», fragt mich Michael.
Ich werde rot und schaue auf den Boden.
«Hängt ihr sonst nicht immer alle im Pavillon rum und macht Nulldiät?», fragt Mark.
«Nein», sage ich, obwohl es bestimmt besser gewesen wäre, kokett zu kichern und «Ja» zu sagen. Eigentlich weiß ich sowieso
nicht, was ich sagen soll. Schließlich soll man alleine keinen solchen Kontakt zu Jungs haben, deshalb ziehen ja alle Mädchen
zu zweit oder in Cliquen herum.
Und als würden die Jungs schon spüren, dass ich eine Verstoßene bin, hören sie bald auch wieder auf, mit mir zu reden, und
boxen sich stattdessen gegenseitig, bis sie an der Kasse sind. Als ich dort ankomme, sehe ich Alex, der mit seinem kostenlosen
Mittagessen (er hat spezielle Gutscheine dafür) allein an einen Tisch geht. Ich kann mich unmöglich zu ihm setzen, er ist
ja ein Junge. Aber zu wem soll ich mich sonst setzen? Ich finde niemanden, darum setze ich mich auch allein an einen Tisch
und esse allein Auflauf, Fritten und Bohnen, und jede Sekunde ist wie ein kleiner Tod. Aber immerhin bin ich frei.
An diesem Wochenende kommt Rachel für ein sogenanntes Exeat zurück ins Dorf, was Latein ist und so viel heißt wie «Wochenende
zu Hause». Am Samstagvormittag gehen wir zusammenreiten, und ich bin viel schneller und wagemutiger als sonst. Nachmittags striegeln wir die Ponys und erzählen uns gegenseitig
von der Schule. Rachels Schule ist ganz anders als meine, aber doch ein ähnliches Labyrinth der Unsicherheiten und Peinlichkeiten.
Man muss sich jeden Abend vor den anderen Mädchen ausziehen. Außerdem muss man für ein älteres Mädchen «schwärmen», das dann
der offizielle «Schwarm» wird, und man selber ist das «Schwärmchen». (Was wohl die Mädchen aus meiner Schule dazu sagen würden?
Sie würden vermutlich finden, dass sie noch nie etwas so «Lesbiges» gehört haben!) Rachel sagt, das hätte überhaupt nichts
mit Liebe oder Sex zu tun; man hat diesen Schwarm einfach nur, weil alle anderen auch einen haben. Außerdem erzählt sie mir,
dass die Beliebtheit sich beispielsweise daran misst, wie viele Briefe man von Freundinnen außerhalb der Schule bekommt (Briefe
von den Eltern zählen nicht) und ob man gut in Musik und Theater ist.
Ich erzähle ihr von meinen vielen Problemen.
«Was für ein Mist, Alice», sagt sie.
«Ja», sage ich. «Ich weiß.»
«Was bin ich froh, dass wir keine Jungs an der Schule haben.»
«Wär ich auch.»
«Vielleicht kannst du ja einfach die Schule wechseln», schlägt sie vor. «Du könntest auf meine Schule kommen. Dann schläfst
du bei mir im Schlafsaal, und wir können beste Freundinnen sein. Das wäre
Weitere Kostenlose Bücher