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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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doch super!»
    Das wäre es auch. Doch als wir mit der Idee zu meinem Großvater stürmen, sagt er schlicht und einfach nein. Er hatte immer
     eine Schwäche für Rachel, aber diesmal kann sie so viel schmeicheln und süß lächeln, wie sie will, und ihn um ein weiteres
     Glas seiner köstlichen Marmelade für ihre Mutter bitten: Er lässt sich nicht erweichen. Die Marmelade gibt er ihr natürlich
     schon, aber meinen Schulwechsel lehnt er ab.
    «Selbst wenn wir es uns leisten könnten», erklärt er mir später, «ich halte einfach nichts von Privatschulen. Für dich ist
     es besser, dort zu bleiben, wo du bist, unter ganz normalen anderen Kindern.»
    Dann werde ich mir das Geld wohl selbst beschaffen müssen. Ich rechne im Kopf aus, was ich verdienen könnte, wenn ich hin
     und wieder ein paar Autos wasche, die Codezahl aus dem
Scientific American
faktorisiere und das Rätsel aus meinem Medaillon löse und den Schatz hebe. Ungefähr eine Million und einhundertzwanzig Pfund,
     ein Teil davon vermutlich in Dollar. Ich mache mir eine Liste und nehme mir vor, gleich anzufangen, sobald Rachel wieder in
     der Schule ist.
    ***
    Gegen vier habe ich diverse Collagen für meine Kette-oder-Armband-Idee zusammengestellt. Mit den Fotos, die ich aus den Zeitschriften
     ausgeschnitten habe, gestalte ich, inspiriert von den Standbildern des Videos, mehrere kleine Storyboards mit jeweils einer
     Szene. Jedes Bild besteht aus den Bleistiftsilhouetten einer Gruppe von Teenagern, die ich im wörtlichen wie im übertragenen
     Sinne mit Farbe versehe, indem ich Bilder aus den Zeitschriften einfüge. Das Ganze erinnert fatal an das leere Mädchenzimmer,
     das wir bei dem Vortrag letzte Woche gesehen haben. Mir geht es aber um die jungen Mädchen als Individuen. Was tragen Teenies,
     was tragen sie mit sich herum? Und was hat das alles zu bedeuten? Ich notiere mir, dass man mit den Perlen an den Ketten oder
     Armbändern nicht nur Botschaften über persönliche Vorlieben übermitteln können muss, sondern auch solche wie
Ich bin auf der Suche
oder
Ich bin frisch verliebt
,
Ich wohne in London
und so weiter. Da ist alles Mögliche denkbar.
    Gegen halb fünf steht Dan vor der Tür. Er hat eine Tasche bei sich.
    «Du arbeitest ja richtig», sagt er, als er meine Collagen sieht.
    Ich räume sie instinktiv beiseite. «Ein bisschen», sage ich.
    «Wie geht’s dir denn?», fragt er und setzt sich in den Sessel, den Ben ans Bett geschoben hat.
    «Geht so», sage ich. «Was hast du da in der Tasche?»
    «Navigationsmaterial, Baby», sagt er. «Einen Kompass und Seekarten.» Er reicht mir die Tasche. «Alles für dich. Du wurdest
     nämlich zu unserem Navigator ernannt.»
    «Oh.» Ich schaue in die Tasche. Sie enthält eine große, zusammengefaltete Seekarte, ein Fernglas, eine Art Lineal mit integrierten
     Rädchen und einen Kompass, der ganz anders aussieht als alle Kompasse, die ich kenne. Er ist aus Plastik und ziemlich groß,
     hat ein Loch in der Mitte und weder eine Kompassrose noch einen Zeiger.
    «Wozu braucht man den denn?», frage ich Dan, während ich den Kompass begutachte.
    «Das ist ein Handpeilkompass», erklärt er. «Den brauchst du zum Peilen.»
    «Und wie geht das?»
    «Du richtest ihn irgendwohin und schaust durch das kleine Fenster.»
    Ich probiere es aus und richte den Kompass an die Wand. Das Fenster zeigt 13   Grad Nordost.
    «Wow!» Ich probiere es gleich noch einmal mit der anderen Wand. «Und wo ist der Sextant?»
    «Der Sextant?» Dan lacht. «Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter. Wir haben GPS, da brauchen wir keinen Sextanten.»
    GPS. Ein Navigationssystem. «Aber wenn wir GPS haben, wozu braucht man den ganzen Plunder hier dann überhaupt?»
    «Den Kurs muss man immer noch selbst ermitteln», erklärt Dan mir. «Das ist aber ziemlich cool. Es wird dir gefallen. Es hat
     ganz viel mit Dreiecken und Berechnungen zu tun, deshalb haben wir ja auch dich dafür genommen.»
    «Ihr habt mir also nicht den Scheißjob zugeschoben, nur weil ich krank bin?», frage ich.
    «Was? Nein, überhaupt nicht! Navigator sein ist die allercoolste Aufgabe beim Segeln. Du sitzt die ganze Zeit mit deinem Lineal
     und deinen Karten unter Deck und kommst nur mal kurz nach oben, wenn du eine Peilung machen willst. Alle anderen werden nass
     bis auf die Haut, aber der Navigator hat es in seiner Kabine immer warm und gemütlich, zeichnet seine Dreiecke und versucht
     zu bestimmen, wo das Boot genau ist. So ein Meer ist nämlich riesig, musst

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